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beruft. Wer in den Priesterstand getreten, kann darin
der Schule, den Missionen, der Seelsorge sich weihen
aber seinen Stand kann er nicht ändern — er bleibt
Priester.
Die verschiedenen Stände haben einen bestimmten
Kreis von Thätigkeiten und Verpflichtungen. Nehmet
z. B. den Bauernstand, welcher die Grundlage aller
übrigen Stände bildet und die Kraft eines Volkes aus¬
macht, was hat er zu thun? Für sich und für alle
Andern muß er der Natur Nahrung und Kleidung ab¬
ringen. So sind den die einzelnen Stände wie die
Glieder der Gesellschaft, welche dem Leibe vergleichbar
ist. Wie nun der Leib wohl bestellt ist, so lange jedes
Glied gesund seinen Verrichtungen nachkommt, aber auch
krank wird und hinsiecht, sobald nur ein Glied kränkelt,
so ist auch die ganze Gesellschaft wohl bestellt, so lange
jeder Stand das ist, was er nach seiner Bestimmung sein
soll; sobald aber nur ein Stand seine von Gott be¬
stimmte Ordnung verletzt, leidet auch das ganze Volk.
Wenn daher heute die Gesellschaft einem Leibe mit
Brüchen und verrenkten Gliedern vergleichbar ist, so
kommt das vom krankhaften Zustande der einzelnen
Stände, welche nur mehr genießen, aber nicht mehr
arbeiten, nur mehr sich bereichern, aber nicht mehr mit¬
theilen wollen, welche nur Rechte kennen, aber keine
Pflichten. Daher sind denn auch so wenige mit ihrem
Stande zufrieden; denn die Begierlichkeit ist eben immer
viel größer als der wirkliche Reichthum, als der Genuß
und die Ehre des Augenblickes, und nur wenige vielleicht
denken in ihrem Stande an den Beruf.
Was ist denn Beruf? Verschiedene Rufe ergehen
an uns und zu verschiedenen Zeiten. Es ruft das Ge¬
wissen und es kann niemals ganz verstummen; dazu ruft
Gott oft mächtig in die Seele: „Was stehest du müssig
Digtalsierungsvortage.
DErzbisch
-Planck-Institut für Bildungsforschung
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