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Wenn aber die Abtödtung nicht geübt wird, so werden
wir immer mehr und mehr wie Sodoma. Warum ver¬
sanken jene Städte immer tiefer in Sünde und Laster, bis
sie endlich unter gottgesandtem Feuerregen von der Erde
verschlungen wurden in einem Augenblick? Den Grund
und die Veranlassung gibt der Prophet Ezechiel an (XVI49)
Sodoma hatte Ueberfluß an zeitlichen Gütern, an Speis
und Trank: so ergaben sich die Bewohner dem Fraß und
der Völlerei; in dieser Genußsucht wuchs die Jugend heran:
so erwachten all die bösen Gelüste, die sie in ihrem Ueber¬
muthe befriedigten; die Töchter waren ohne Arbeit und
Sorge ungefähr wie es heute so viele Töchter gibt, deren
größter Lebensgedanke ist: Etwas Klavierklimpern und
schrecklich viel Putz, Tanz und Gesellschaft, Roman und
Liebschaften.
Endlich dürfet ihr nicht vergessen: Das Lebensglück
des Einzelnen hängt nicht davon ab, was er besitzt und
genießt, sondern was er entbehren kann. Je größer die
Bedürfnisse, desto leichter kommt Unzufriedenheit und damit
das Unglück. So lange eine Tochter mit einfachem
Gewande zufrieden, ist sie auch glücklich, sobold sie aber
modesüchtig geworden, um sich Gestalt und Form zu
geben und fremde Augen auf sich zu ziehen, ist die
Zufriedenheit und der Frohsinn fort, und die Unzufrieden¬
heit und das Murren und Klagen eingezogen.
Was ist daher eine durchaus nothwendige Aufgabe
nicht bloß der christlichen, sondern jeder nur irgendwie
vernünftigen Erziehung? Gewöhnt die Kinder schon in
den ersten Jahren an jede Art von Enthaltsamkeit und
Abtödtung und Selbstverleugnung, daß sie einst mit dem
Völkerlehree sagen können: „Ich habe gelernt, wie's immer
mit mir steht, zufrieden zu sein und mich mit dem was
ich habe zu begnügen." (Philipp. IV. 11.) Wenn ihr in
Wahrheit so reden könnet, was fehlt noch zu euerem
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
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gtalsierungsvorlage.
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