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hängen und vom Teufel im Moraste der Sünde hin
und her gezerrt werden, ist die Begierlichkeit des Fleiches,
die Genußsucht. Mephistopheles, jener böse Geist, dem
in der deutschen Sage der Dr. Faust für lebensläng¬
liche Sinnenlust seine Seele verschrieben, schöpfte aus
den Gewissensbissen, die der Faust gegen das Ende der
Tragödie mit ihren Stacheln in seinem Innern ver¬
spürte, den Verdacht, derselbe könne ihm schließlich
noch entschlüpfen und er, der Teufel, werde das Nach¬
sehen haben. Wo aber dieser einmal einen mit Ver¬
trag, Sünde und Leidenschaft gepackt, da läßt er ihn
nicht mehr willig los, er besteht, wie der Jude Shylok
im „Kaufmann von Venedig", auf seinem Schein.
Daher ließ er von jetzt an den Faust nicht mehr aus
den Augen: „Komm, komm!" das war das Wort,
womit er Faust an den mit Blut geschriebenen Akkord
jetzt täglich mahnte; — „Her zu mir!" der Ruf,
wodurch er sein Recht auf des Faustes arme Seele
geltend machte. In dem Dr. Faust und in seinem
Elend sind aber alle gemeint, die sich von unserm
Herrgott lossagen, um sich dem sündhaften Schmause
hinzugeben, welchen die Welt mit ihren sinnlichen Ge¬
nüssen den Leidenschaften herrichtet; es sind alle ge¬
meint, die bereit sind, Seele und Seligkeit an den
Teufel zu verhandeln, um „in den Tiefen der Sinn¬
lichkeit ihre glühenden Leidenschaften zu stillen". Daher
ist denn auch Tausenden heutzutage alles feil: Glaube,
Kirche, Erlösung, Himmel und Gott, alles, was ewig
dauert, um den sündhaften Augenblick zu erhaschen und
zu genießen:
Kann ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön,
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zu Grunde gehn;
Digitalisierungsvorlage:
Erzbischöfliche Diöze
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