Full text: Hammer, Philipp: ¬Der christliche Vater in seinem Berufe

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Wie soll nun aber ein Vater dieser seiner verant¬ 
wortlichen Stellung nachkommen, damit unser Herrgott 
mit ihm zufrieden ist? An dem Tage, wo Kaiser 
Karl V. zu Gent getauft wurde, machte der Hofnarr 
dem kaiserlichen Prinzen auf einer silbernen Schüssel 
einen Obstkern zum Wiegengeschenke und sagte dazu 
den Spruch: 
Ein Samenkorn in der Erden, 
Dir, Wiegenkind, ist er gleich, 
Aus beiden kann noch was werden, 
Die Keime ruhen in euch. 
Ich will in die Erde ihn bauen, 
Ein Denkmal sei er an heut, 
Einst magst du kommen und schauen, 
Wer besser von euch gedeiht. 
Dann ging er und pflanzte den Kern sorgsam in 
den Garten. Der Kern aber sproßte auf und wurde 
zu einem stattlichen Baume, der immer reichliche Früchte 
trug. Nicht minder aber zeigte der Kaisersohn glück¬ 
liches Gedeihen, er ward zum Manne, zum tapferen¬ 
Helden, zum mächtigen Kaiser, der gegen Ende seines 
Lebens, des Herrschens müde, die Kaiserkrone, die er 
nach eigenem Geständnis siebenunddreißig Jahre ge¬ 
tragen, ohne unter ihr auch nur eine Viertelstunde 
Ruhe zu finden, niederlegte und sich in das Kloster 
St. Just zurückzog, um sich zum Tode vorzubereiten. 
Es hatte sich also der Glückwunsch des Hofnarren an 
beiden erfüllt; man erzählt, der Kaiser habe an dem 
Baume, der mit ihm aufgewachsen, eine besondere 
Freude gehabt, und habe mit besonderer Vorliebe 
es war ein Kirschbaum — von seinen Früchten ge¬ 
gessen. Nun besteht in der That ja eine Aehnlichkeit 
zwischen dem Menschenkinde und einem Obstkern oder 
vielmehr dem Baume, der aus ihm entkeimt und her¬ 
Digitalisierungsvorlage: 
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Disc 
Max Planck institute for Hluman Developme
	        
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