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führen aber eine schlechte Lebensart. Denn mit der
Religion bloß im Kopf verträgt sich große Irreligion,
widerwärtige Selbstsucht und alle unlautere Absicht im
Herzen. Also nur da, wo die Religion ihre Wurzeln
bis auf den Grund des Herzens treibt, wird der christ¬
liche Jüngling und in ihm der christliche Mann ge¬
deihen.
Ein fester Wille, auf den Grundsätzen
der christlichen Religion fußend, den
Lehren der Kirche als Leitsternen fol¬
gend. „Es ist eine traurige Sache" bemerkt einmal
der scharfsinnige Dr. Fick, „wenn an dem entwickelten
Geist in seinem männlichen Gange ein kindisch gebliebenes
Herz, ein unmündiger Wille, wie der kleine
Askanius zur Seite des Helden Aeneas nebenherstrauchelt
non passibus aequis, ohne gleichen Schritt halten
zu können." Was aber diese traurige Sache noch
trauriger macht, ist dies, daß ein unmündiger, schwacher
Wille nur allzugern der Charakterlosigkeit
verfällt. Was haben wir während der letzten zwanzig
Jahre in diesem Stücke nicht schon alles erleben müssen!
„Ein großer Schmerz", sagte vor einigen Jahren ein
geistvoller Schriftsteller, „und zwar ein allgemeiner, aber
für uns Katholiken doch wieder ganz besonderer, kommt
uns aus der sittlichen Schwäche des heutigen Ge¬
schlechtes. Je mehr die Geister sich entwickeln, desto
elender die Charaktere, als ob die Willenskraft abnähme,
während die Erkenntniskräfte sich erweitern. Ein be¬
sonders hierher gehöriges Zeichen ist die immense
Menschenfurcht in unseren Tagen. Man fürchtet
nicht allein die Starken, sondern auch die Erbärm¬
lichen; ja die Starken selber fürchten jetzt die Erbärm¬
lichen. Wir haben Beispiele von Mächtigen, die mit
ihrem Gewissen gebrochen und in die Wege der Feinde
Gottes eingelenkt haben, nicht aus eigener Bosheit,
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