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Schanden zu machen scheint. Soll sie da den
Muth aufgeben und die Sache gehen lassen, wie
welcher Angelegentlichkeit die Mutter von Kleidung
und Putz spricht, wie viel Gewicht sie darauf legt,
wie viel Umstände sie dafür macht, wie sehr sie sich
darin gefällt? Oder, wenn die Mutter so viel We-
sens macht mit dem Anzuge des Kindes, so viel
Sorge und Kosten und Zeit darauf verwendet und
zwar mit einer Wichtigkeit, als sei das bei Weitem
die Hauptsache.
Kein vernünftiger Mensch zweifelt, daß es Aufgabe
und Pflicht der Mutter ist, ihre Kinder auch in Be¬
treff der Kleidung zur Ordnung und Reinlichkeit, ja
selbst zu einer gewissen Nettigkeit (um so zu sagen)
anzuhalten und anzuleiten. Ordnung und Reinlichkeit
in der Kleidung, ja bis zu einem gewissen Grade
etwas Hübsches und Schönes im Anzuge kann einen
heilsamen Einfluß selbst auf die sittliche Verfassung
des Herzens üben, während Unordnung und Unrein¬
lichkeit nur zu leicht der Unsittlichkeit Vorschub leistet.
Aber eben so sehr ist es Pflicht, alles das zu meiden
was die Eitelkeit und Putzsucht in den Kindern
gradezu fördert. Dahin gehört, was wir eben schon
erwähnten; oder, wenn die Mutter gar so viel We¬
ens mit dem Anzuge der Kinder macht, als sei das
eine Hauptsache; wenn sie so unmäßig viel Zeit und
Kosten darauf verwendet; wenn sie das Kind in sei¬
nem Anzuge oder Kleidungsstücke so viel anerkennt,
erhebt und bewundert, insbesondere, wenn sie es
gradezu darauf ablegt, das Kind in ungewöhnlicher,
auffälliger Weise herauszuputzen und vor andern
Kindern auszuzeichnen, und so selbst mit ihren Kindern
Eitelkeit treibt. Heißt das nicht, das arme Kind mit
vollen Segeln in das Unwesen der Eitelkeit hinein¬
fahren? Wem es beschieden ist, in einer größern
Stadt zu wohnen, der findet nur zu oft Gelegenheit,
solchen Kindern zu bezegnen, welche von ihren thörich¬
ten Müttern also aufgeputzt sind. Man könnte sich
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