Full text: Cramer, Wilhelm: ¬Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll

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ter unter der gemachten Voraussetzung sie schwerlich 
mit der nöthigen oder wünschenswerthen Ruhe voll¬ 
führen; sie wird vielmehr vollzogen in der Aufwal¬ 
lung des Zornes, leicht unter einem zahlreichen 
Geleite von bittern Vorwürfen, Schmähungen und 
Schimpfreden, mit unbesonnener, übermäßiger Härte, 
ja Grausamkeit, so daß das Maß des Verdienten 
weit überschritten wird und das eigene Kind vom 
Vater arg mißhandelt und unbilliger Weise aufs 
Empfindlichste gekränkt wird. Das Kind fühlt die Un¬ 
gerechtigkeit einer also ausgeführten Strafe, es wird 
in seinem Innersten verletzt, da es den eigenen Va¬ 
ter wie einen Feind also hart und grausam wider 
sich auftreten sieht, und die Wahrnehmung eines 
solchen unwürdigen leidenschaftlichen Auftretens des¬ 
selben versetzt der angestammten Hochachtung seines 
kindlichen Herzens gegen den Vater eine tödtliche 
Wunde, ja erfüllt es mit Verachtung und Wider- 
willen. 
Das ist dann also eine Züchtigung, welche das 
Kind von seinen Fehlern nicht heilt, sondern es noch 
mehr, noch viel ärger verwundet; eine Züchtigung, 
welche nicht „die friedenvolle Frucht der Gerechtigkeit" 
sondern arger sittlicher Verderbniß zur Folge hat. 
Und doch, wie oft und vielfach hat man eine 
solche Weise der Bestrafung der Kinder grad von 
Seiten der Väter zu beklagen! Welche Verantwor¬ 
tung! Die von Gott gestellt sind zu Freunden und 
Vätern der Kinder, die werden zu ihren ärgsten Fein¬ 
den; denn wie sie in der Ausführung ihrer Strafen 
äußerlich als solche auftreten, so sind sie es in der 
That durch den unsäglichen Schaden und Nachtheil, 
den sie dadurch ihren Kindern zufügen. Ohne Zweifel 
Digitalisierungsvorlage: 
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DErzbischöfliche 
Max Planck institute for liuman Developme
	        
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