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Beschreibung von Venedig.
II. Theil.
verhafsten Ehe zu bewegen, liess sie dieselbe durch die
Staatsinquisitoren, wovon einer ihr Bruder war, trennen,
und den in derselben erzeugten Sohn für unehlich erklä¬
ren. Pisani heirathete hierauf den Wünschen seiner Mut¬
ter gemäss, und zeugte in dieser zweiten Ehe eine Toch¬
ter; indess der Sohn zu Bologna erzogen wurde. Dieser
machte nach dem Tode seines Vaters so wohl auf dessen
Vermögen als auf den Venetianischen Adel Anspruch, und
brachte seine Rechtssache vor die neue bürgerliche Qua¬
rantia, welche ihm nicht nur das Vermögen zum Nach¬
theil der Tochter aus der zweiten Ehe, sondern auch den
Adel zusprach. Diese Rechtssache hatte sich so wichtig
gemacht, dass ganz Venedig ihrer Entscheidung begie-
rigst entgegen fah. Wollte aber ein Patrizier in die ganz
unprivilegirte Volksklasse heirathen, so haben seine Kin¬
der an seinem Adel nicht den mindesten Anspruch; und
aus diesem Grunde musste der Prokurator, Joh. Bapt.
Corner Piscopia im candianischen Kriege den Adel
für seine zwei Söhne kaufen, die er mit der Tochter eines
Gondoliers erzeugt hatte.
So wie die Republik ihr beständiges Augenmerk dar¬
auf richtet, dass der Adel nicht allzumächtig und gefähr¬
lich werde, so ist sie auch darauf überaus wachsam, dass
das grosse Gut einer Familie, die mehrere Zweige hat,
nicht unzertheilt bleibe. Aus dieser Ursache mussten sich
einstens drei Brüder aus dem Hause Cornara, deren
jährliche Einkünfte sich bis auf eine Million Scudi belie¬
fen, auf Befehl der Signorie und bei Strafe des Bando
verheirathen. Diese Wachsamkeit kann es demunge¬
achtet doch nicht verhindern, dass sich die Familien nicht
bei Ansehen und Wohlstand erhalten. Denn ordentlicher
Weise leben alle Brüder beisammen, von denen nur einer,
meistens der Jüngste heirathet, und dem die andern nach
ihrem Absterben ihre Güter überlassen. Die Töchter er¬