Beschreibung von Venedig. I. -Theil.
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wöhnlichen Begleitung diese Kirche zu besuchen, und
jedesmal, so oft ein Doge mit Tode abgehet, ihr einen
Mantel von reichem Stoffe zur Bekleidung des Hauptal¬
tars zu hinterlassen. Diese Gewohnheit rührt von einer
Begebenheit im zehnten Jahrhundert her, da die Triesti¬
ner am 30. Jan. 943 die Venetianischen Bräute mit dem
Brautschaz raubten, zu deren Wiedererbeutung das Kirch¬
spiel S. Mar. Form. und besonders die Tischler darin, das
meiste beitrugen. Zur Belohnung ihrer Tapferkeit bot ih¬
nen der Doge und die Signorie eine Gnade an, die sie in
ihre Wahl stelleten. Die guten Leute verlangten niclits
weiter, als dass der Doge nebst seiner Gemahlin und der
Signorie ihre Kirche jährlich an ihrer Kirchweih besuchen
sollte.
„Im Fall es aber regnete?“
„So werden wir euch Hüte schikken, euch zu bedek¬
„ken, und wenn ihr Durst habt, wollen wir euch zu
„trinken geben."
Daher kommt die Gewohnheit, dass der Oberpfarrer
im Nahmen des Volks dem Doge bei diesem Besuch zwei
Flaschen Malvasier, mit zwei Pommeranzen, und zwei
vergoldete Strohhüte, mit dem Wappen des Pabsts, des
Doge, und seinem eigenen bezeichnet, überreicht.
Auf dem Campo dieser Kirche stehet der schöne Pa¬
fast der Vitturi, der Familie Malipiera, und die-
sem gegenüber der Familie Ruzzina mit einer schönen
Ansicht. Bei dem Palast der Malipieri stehet der präch¬
tige auf Römische Manier gebauete Palast Grimani, in
dessen Hofe ausser vielen andern Alterthümern die Colossa¬
lische Bildsaule des Marcus Agrippa stehet, welcher der
erste unter den Römern war, der die Corona rostrata erhielt.
Er hält einen Delfin am Schwanze. Ferner siehet man
eine alte Statue des Jul. Cäsars in Rüstung. In dem Pa¬