Full text: Layard, Austen Henry: Niniveh und seine Überreste

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men, welches jetzt ein unbedeutendes Dorf ist, obgleich es früher ein kleines 
Marktstädtchen gewesen sein mag. Es liegt drei Meilen von dem Ruinenhügel, 
und es sind dort keine Ueberreste zu finden, die andeuten könnten, daß es seit 
der assyrischen Periode eine beträchtliche Größe erreicht habe. Es ist folglich 
anzunehmen, daß der Ruinenhügel zu Nimrud seit der Zerstörung des letzten 
Palastes, wenn wir den schon erwähnten einzelnen Fall, wo der Pascha von 
Mosul ein oder zwei Platten zur Ausbesserung des Grabes eines muselmän 
nischen Heiligen wegzuschaffen versuchen ließ, ausnehmen, niemals geöffnet 
worden ist. 
Gegen die Mitte des Mai hatte ich meine Arbeiten zu Nimrud been 
digt. Mein Haus war abgebrochen, und die herausgenommenen Fenster und 
Thüren und die wenigen Mobilien, welche ich zusammengebracht hatte, befan 
den sich auf dem Rücken von Eseln und Kameelen, um nach Mosul trans 
portirt zu werden. Die Araber hatten ihre Zelte abgebrochen und begannen 
ihren Marsch, ich aber blieb zurück, bis Jedermann den Ort verlassen hatte, 
und blickte dann noch einmal auf das einsame Dorf zurück. Wir waren die 
Letzten, die die Ebene von Nimrud verließen, und in der That war, nach 
dem wir weg waren, die ganze Gegend von Mosul südlich bis zum Zab 
eine Wildniß. 
Auf halbem Wege zwischen Mosul und Nimrud durchschneidet eine 
Hügelreihe den Weg; von ihrem Gipfel konnte ich Beides, die Stadt und die 
Ruinen sehen. Auf der einen Seite steigt in der Entfernung die Pyramide 
mitten in der großen Ebene des Dschaif empor, auf der anderen kann man den 
großen künstlichen Hügel von Kujjundschik und die ihn umgebenden Ruinen 
undeutlich sehen. Das hängende Minaret der alten Moschee von Mosul springt auch 
über den dunkeln Flecken, welcher die Stadt andeutet, hervor. Viele Meilen 
weit kann man den Lauf des Flusses angeben, welcher sich in der Ebene fort 
windet, bald hinter niedrigen Hügeln verborgen, bald wieder in das freie Land 
hervorkommend. Die ganze Fläche, welche das Auge von diesem Platze aus 
übersieht, mag einst von den Gebäuden und Gärten der assyrischen Hauptstadt 
der großen Stadt, deren Umfang drei Tagereisen groß war — bedeckt ge 
wesen sein. Jene entfernte Pyramide gab in früheren Zeiten, wo die Stadt 
noch kleiner war, dem Wanderer von ferne die Richtung an, in welcher Ni 
niveh lag. Es war damals noch die Uransiedlung, die zum ersten Male 
beieinanderstehende menschliche Wohnungen gebildet hatten. Für mich waren 
die langen düstern Reihen von Hügeln natürlich höchst interessante Gegenstände. 
Ich hielt mein Pferd an, um sie zum letzten Male zu betrachten — denn von 
keinem andern Theile des Weges sind sie sichtbar — und galoppirte dann auf 
Mosul los. 
Bei meinen Ausgrabungen zu Kujjundschik verfolgte ich dieselbe Me 
thode, die ich in Nimrud angenommen hatte. Ich wohnte in der Stadt, 
meine Araber aber schlugen ihre Zelte auf dem Gipfel des Hügels am Ein 
gange der Trancheen auf. Die Tijari kampirten an seinem Fuße, an den 
Ufern des Khausser, des kleinen Flusses, der zwischen den Ruinen hindurch 
fließt; weil hier Männer und Frauen einen passenden Platz zu ihren bestän 
digen Waschungen fanden. Zu anderen Zwecken mußten sie aber doch das 
Wasser aus dem Tigris holen, weil das Wasser des Khausser für zu 
schwer verdaulich und ungesund angesehen wurde. Selten wird es von den in 
der Nähe dieses Flusses Lebenden getrunken, wenn sie aus Brunnen oder auch 
nur aus Pfuhlen von Regenwasser anderes sich zu verschaffen wissen.
	        
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