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men, welches jetzt ein unbedeutendes Dorf ist, obgleich es früher ein kleines
Marktstädtchen gewesen sein mag. Es liegt drei Meilen von dem Ruinenhügel,
und es sind dort keine Ueberreste zu finden, die andeuten könnten, daß es seit
der assyrischen Periode eine beträchtliche Größe erreicht habe. Es ist folglich
anzunehmen, daß der Ruinenhügel zu Nimrud seit der Zerstörung des letzten
Palastes, wenn wir den schon erwähnten einzelnen Fall, wo der Pascha von
Mosul ein oder zwei Platten zur Ausbesserung des Grabes eines muselmän
nischen Heiligen wegzuschaffen versuchen ließ, ausnehmen, niemals geöffnet
worden ist.
Gegen die Mitte des Mai hatte ich meine Arbeiten zu Nimrud been
digt. Mein Haus war abgebrochen, und die herausgenommenen Fenster und
Thüren und die wenigen Mobilien, welche ich zusammengebracht hatte, befan
den sich auf dem Rücken von Eseln und Kameelen, um nach Mosul trans
portirt zu werden. Die Araber hatten ihre Zelte abgebrochen und begannen
ihren Marsch, ich aber blieb zurück, bis Jedermann den Ort verlassen hatte,
und blickte dann noch einmal auf das einsame Dorf zurück. Wir waren die
Letzten, die die Ebene von Nimrud verließen, und in der That war, nach
dem wir weg waren, die ganze Gegend von Mosul südlich bis zum Zab
eine Wildniß.
Auf halbem Wege zwischen Mosul und Nimrud durchschneidet eine
Hügelreihe den Weg; von ihrem Gipfel konnte ich Beides, die Stadt und die
Ruinen sehen. Auf der einen Seite steigt in der Entfernung die Pyramide
mitten in der großen Ebene des Dschaif empor, auf der anderen kann man den
großen künstlichen Hügel von Kujjundschik und die ihn umgebenden Ruinen
undeutlich sehen. Das hängende Minaret der alten Moschee von Mosul springt auch
über den dunkeln Flecken, welcher die Stadt andeutet, hervor. Viele Meilen
weit kann man den Lauf des Flusses angeben, welcher sich in der Ebene fort
windet, bald hinter niedrigen Hügeln verborgen, bald wieder in das freie Land
hervorkommend. Die ganze Fläche, welche das Auge von diesem Platze aus
übersieht, mag einst von den Gebäuden und Gärten der assyrischen Hauptstadt
der großen Stadt, deren Umfang drei Tagereisen groß war — bedeckt ge
wesen sein. Jene entfernte Pyramide gab in früheren Zeiten, wo die Stadt
noch kleiner war, dem Wanderer von ferne die Richtung an, in welcher Ni
niveh lag. Es war damals noch die Uransiedlung, die zum ersten Male
beieinanderstehende menschliche Wohnungen gebildet hatten. Für mich waren
die langen düstern Reihen von Hügeln natürlich höchst interessante Gegenstände.
Ich hielt mein Pferd an, um sie zum letzten Male zu betrachten — denn von
keinem andern Theile des Weges sind sie sichtbar — und galoppirte dann auf
Mosul los.
Bei meinen Ausgrabungen zu Kujjundschik verfolgte ich dieselbe Me
thode, die ich in Nimrud angenommen hatte. Ich wohnte in der Stadt,
meine Araber aber schlugen ihre Zelte auf dem Gipfel des Hügels am Ein
gange der Trancheen auf. Die Tijari kampirten an seinem Fuße, an den
Ufern des Khausser, des kleinen Flusses, der zwischen den Ruinen hindurch
fließt; weil hier Männer und Frauen einen passenden Platz zu ihren bestän
digen Waschungen fanden. Zu anderen Zwecken mußten sie aber doch das
Wasser aus dem Tigris holen, weil das Wasser des Khausser für zu
schwer verdaulich und ungesund angesehen wurde. Selten wird es von den in
der Nähe dieses Flusses Lebenden getrunken, wenn sie aus Brunnen oder auch
nur aus Pfuhlen von Regenwasser anderes sich zu verschaffen wissen.