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Der eine ist noch ganz; sein Begleiter ist aber herabgefallen und in mehrere
Stücke zerbrochen — der große Menschenkopf liegt zu unseren Füßen.
Wir gehen weiter, ohne uns in den Theil zu wenden, zu dem das Por
tal führt. Darüber hinaus sehen wir eine andere geflügelte Figur, die eine zierliche
Blume in der Hand hält, die sie, wahrscheinlich als eine Opfergabe, dem ge
flügelten Stiere darreicht. Zunächst dieser Sculptur finden wir 8 schöne Bas
reliefs. Da ist der König auf der Jagd, wie er über den Löwen und wilden
Stier triumphirt, und die Belagerung einer Burg mit dem Sturmbocke. Wir
haben nun das Ende der Halle erreicht, und sehen eine ausgesucht schön ge
arbeitete Sculptur vor uns: zwei Könige, die vor dem Eblem der höchsten
Gottheit stehen, und von geflügelten Figuren begleitet sind; zwischen ihnen steht
der heilige Baum. Vor diesem Basrelief befindet sich die Steinplattform, auf
der in alten Zeiten der Thron des assyrischen Monarchen gestanden haben mag,
wenn er gefangene Feinde oder seine Höflinge empfing.
Zur Linken ist ein vierter Ausgang, den zwei Löwen bilden. Wir passiren
sie, und finden uns am Rande einer tiefen Ravine, von welcher nördlich sich
die erhabene Pyramide hoch über uns erhebt. Figuren von Gefangenen,
tragen, sieht
welche Tributgegenstände — Ohrringe, Armbänder und Affen —
man an den Mauern in der Nähe dieser Ravine, und zwei ungeheure Stiere,
so wie zwei geflügelte, über 14 Fuß hohe Figuren, liegen fast an seinem Rande.
Da die Ravine die Ruinen an dieser Seite begränzt, so müssen wir zu
den gelben Stieren zurückkehren. Sobald wir durch den von ihnen gebildeten
Eingang gekommen sind, treten wir in ein von adlerköpfigen Figuren umge
benes Gemach: an dem einen Ende befindet sich ein von zwei Priestern oder
Gottheiten bewachtes Thor, und in der Mitte ein anderes Portal, an welchem zwei
geflügelte Stiere stehen. Welche Richtung wir nun auch einschlagen mögen,
so befinden wir uns in einer Menge von Zimmern, und ohne eine Bekannt
schaft mit dem Gewirre dieses Ortes, würden wir uns bald in dem Labyrinthe
verirren. Da der angehäufte Schutt gemeiniglich in der Mitte der Zimmer
liegen gelassen worden ist, so besteht die ganze Ausgrabung aus einer Menge
von engen Durchgängen, die an der einen Seite mit Alabasterplatten eingefaßt
sind; auf der andern Seite beengt sie ein hoher Erdwall, in dem man hier
und da eine zerbrochene Vase, oder einen mit glänzenden Farben gemalten Back
stein halbbegraben sehen kann. Wohl ein bis zwei Stunden können wir durch
diese Gallerien wandern, und die merkwürdigen Sculpturen oder die zahlreichen In
schriften besehen, die uns umgeben. Hier sehen wir lange Reihen von Königen in
Begleitung ihrer Eunuchen und Priester — dort eben so lange Reihen von
geflügelten Figuren, welche, Fichtenzapfen und religiöse Embleme tragend, an
scheinlich in Adoration vor dem mystischen Baume begriffen sind. Andere Eingänge,
ebenfalls von Löwen und Stierpaaren gebildet, führen uns zu andern Zim
mern. In jedem finden Neugier und Erstaunen neue Gegenstände. Ermüdet
gehen wir endlich durch einen Graben, auf der entgegengesetzten Seite dessen,
durch den wir eintraten, aus dem verschütteten Gebäude wieder heraus, und finden
uns wieder auf der nackten Plattform. Vergeblich sehen wir uns nach Spuren
der wunderbaren Ueberreste, die wir eben gesehen haben, um, und sind halb
und halb geneigt zu glauben, daß wir einen Traum gehabt, oder der Erzählung
einer orientalischen Novelle zugehört haben.
Manche, die vielleicht später den Ort betreten werden, wenn das Gras
wieder über die Ruinen der assyrischen Paläste gewachsen sein wird, werden
Verdacht haben, als sei es eine Vision, was ich erzählt habe.