Full text: Layard, Austen Henry: Niniveh und seine Überreste

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nach einem vor ihm befindlichen Gegenstande ab. Unbezweifelbar ist das Sujet 
auf einer folgenden Platte fortgesetzt gewesen, auf der wahrscheinlich der König 
an der Jagd Theil nehmend abgebildet war. Dieses kleine Basrelief ist wegen 
seiner Vollendung, wegen der Eleganz der Ornamente und wegen des geist 
vollen Entwurfs merkwürdig. In dieser Hinsicht gleicht es der Schlachtscene 
im Südwestpalaste, *) und ich vermuthe daher, daß sie beide diesem zerstörten 
Zimmer angehörten, in dem die Sculpturen vielleicht fleißiger gearbeitet waren 
und eine höhere Vollendung trugen als in irgend einem anderen Theile des 
Gebäudes. In den assyrischen Gebäuden läßt sich deutlich nachweisen, daß 
verschiedene Künstler an den Sculpturen gearbeitet hatten. Häufig ist da, wo 
die Außenlinien (Conturen) geistreich und correct und die Ornamente mit be 
deutendem Geschmacke angelegt sind, die Ausführung mangelhaft und roh, 
woraus man offenbar ersieht, daß, während eine Meisterhand die Anlage des 
Sujets machte, die Sculptirung des Steines einem untergeordneten Arbeiter 
anvertraut wurde. Bei manchen Sculpturen haben einige Theile eine höhere 
Vollendung als andere, als wenn sie von einem erfahrenen Bildhauer nach 
gearbeitet worden wären. Die Figuren der Feinde sind stets roh und unaus 
geführt gelassen, wahrscheinlich um zu zeigen, daß, weil sie einem unterwor 
fenen oder gefangenen Volke angehörten, sie der Sorgfalt des Künstlers un 
würdig wären. Selten findet man ein Basrelief, das in allen seinen Theilen 
ganz gleichförmig gut ausgearbeitet wäre. Das bis jetzt als das vollkom 
menste in Assyrien entdeckte Basrelief ist die Löwenjagd, die sich im briti 
schen Museum befindet, die eben beschriebene Löwenjagd und die große Gruppe, 
in der sich der König in der Mitte seines Gefolges und geflügelter Figuren 
auf dem Throne sitzend befindet, welche das Ende des Zimmers G im Nord 
westpalaste bildete, und die nach England gebracht werden wird. 
Während dieser Graben gemacht wurde, entdeckte ich auch etwa drei Fuß 
tief unter dem Pflaster einen Abzugskanal, welcher mit anderen vorher in ver 
schiedenen Theilen des Gebäudes geöffneten in Verbindung zu stehen schien 
Es war wahrscheinlich der Hauptkanal, durch den sich alle anderen Gossen 
entluden; er war viereckig von gebrannten Backsteinen erbaut und mit großen 
Platten und Ziegeln gedeckt. 
Da der Stier auf der Rückseite herabgelassen werden mußte, weil die 
Seite der Platte, worauf keine Sculptur war, auf die Walzen gelegt werden 
mußte, so ließ ich die Hintermauer bis zum Eingange a wegnehmen. Auf 
diese Art ward ein offener Raum gebildet, der groß genug war, die nieder 
gelegte Figur zu fassen und so viel Platz für die Arbeiter zu lassen, daß sie 
an allen Seiten um sie herum kommen konnten. Die Hauptschwierigkeit be 
stand natürlich darin, die schwere Masse herabzuheben; so bald sie sich erst 
unten befand, oder auf den Walzen lag, dann war es leicht, sie durch die 
vereinte Kraft einer Anzahl von Männern vorwärts zu schleifen; aber wäh 
rend des Herablassens konnte sie nur durch Seile gehalten werden. Waren 
diese nicht stark genug, die Last auszuhalten, so konnten sie zerreißen, die 
Sculptur würde dann herabgefallen und durch den Fall wahrscheinlich zer 
brochen sein. Die wenigen Seile, welche ich hatte, waren mir expreß von 
Aleppo durch die Wüste geschickt; aber sie waren klein. Von Baghdat 
hatte ich ein dickes, aus Palmbaumfasern gemachtes Schiffstau bekommen. 
Dazu war ich noch mit ein Paar Kloben und ein Paar Wagenwinden ver 
*) Man sehe Seite 29.
	        
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