Ueber thierische und Pflanzen=Natur. 509
gründe steht; und wenn seine Häuser von verschiedener
Bauart sind, so beweist dieß bloß, daß er eben so gut
Combinationen bilden, als nachahmen kann.
Diese Folgerungen, daß die Thiere abstrahiren und
aus Analogie urtheilen, sind neue Behauptungen, und
dürften vielleicht von solchen Denkern, die von Egois
mus und Mangel an frommem Sinne geleitet sind,
und das Ziel der göttlichen Macht bloß auf eine Klasse
seiner Geschöpfe zu beschränken suchen, angefochten
werden. Nicht zufrieden mit der wunderbaren Feinheit
ihrer eigenen intellektuellen Absonderungen (intellectual
secretions), „und mit der durch das Licht der Offen
barung gewonnenen Erkenntniß ihrer eigenen Unsterb
lichkeit" — übersehen sie die offenbarsten Aeußerungen
der thierischen Seelenkräfte — ihre Scheu vor schon
bestandenen Gefahren und ähnlichen schädlichen Begeg
nissen — und verschließen ihre Augen vor der deutlich
sich zeigenden Beurtheilungs=Kraft, wovon sie bestän.
dige Zeugen sind, — und schließen in Beziehung auf
die mit Haar, Federn oder Schuppen bedeckten Ge
schöpfe eben so, wie sie es bey Menschen von verschie
denen Farben oder Staturen thun oder gethan haben.
Das Gefühl von Unrecht oder von verletzten Rech
ten erzeugt bey allen Geschöpfen Aufreizungen, welche
man Leidenschaften nennt. Dieses wirkliche oder ge
glaubte Unrecht wird um so vielfacher, je zahlreicher
und verwickelter die Rechte werden; unter Thieren von
einfachen Sitten ist aber der Besitz das einzige zuge
standene Recht, und wird unter einer und derselben
Gattung selten bestritten. Die moralische Vorschrift,
so zu handeln, wie man selbst behandelt zu werden
wünscht, scheint das Resultat der Erfahrung aller
Geschöpfe in einem Zustande der unverfälschten Natur