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So kam das Jahr 1506, in welchem er sich entschloss, mit seiner Familie nach Lissabon zu gehen, wo er seinen jüngeren Bruder Wolf
oder Wolfgang ») antraf, der dahin gekommen war. Obgleich wir den Zweck dieser letzten Reise nicht genau wissen, so kann man doch
mit aller Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass sie auf höheren Befehl gemacht wurde, in der Absicht, seine geographischen Kenntnisse bei
der Verfertigung einiger Seekarten, von deren einer (wie wir bald sehen werden) man noch das Andenken bewahrt, zu benützen. Aber
diese neuen Dienste waren von kurzer Dauer; denn es erhellt aus authentischen Dokumenten, dass er am 29. Juni desselben Jahres starb
und in der Kirche S. Domingos, am Rocio, begraben liegt.
Man sagt, dass seine Familie noch zwei Gemälde von ihm besitze, ein sehr altes und ein neueres; unter dem in Lebensgrösse liest
man folgende Inschrift :
„Martinus Bohemus Norimberg. Eques Serenissimorum Johannie II. et Emanuelis Lusitaniae Regum Thalastus et
Mathematicus insignis. Obiit 1506 Lisabonae.
Zweiter Theil.
Um den Faden der Geschichte Martin’s de Bohemia nicht so oft abzuschneiden, halten wir uns jetzt an die Prüfung dreier Facta, an
denen er, nach der Meinung einiger Schriftsteller, einen sehr grossen Antheil gehabt haben soll; ich meine die Entdeckung der Inseln
Fayal und Pico, jene von Amerika und die der Magellansstrasse. Von allen dreien wollen wir jetzt der Reihe nach sprechen.
Was die Entdeckung Amerika’s betrifft, so ist es leicht zu beweisen, dass Martin de Bohemia nicht den geringsten Einfluss
darauf hatte. Hören wir darüber seine eigenen Worte in einer Anmerkung zum Nürnberger Globus: „Die Azorischen Inseln“, sagt er
»wurden im Jahre 1466 *) bevölkert, als sie der König von Portugal auf Bitten seiner Schwester Isabella, 2) Herzogin von Burgund, geschenkt
»hatte. Es herrschte damals in Flandern ein schwerer Krieg, von einer grossen Hungersnoth begleitet; die Herzogin sandte auf diese Inseln
»eine grosse Anzahl Männer und Weiber aus allen Handwerken, auch Priester mit den verschiedenen Geräthschaften, die zum Gottesdienst
»gehören. Den Auswanderern folgten mehre Schiffe mit Hausrath, mit den nöthigen Geräthen zur Kultur des Bodens und zur Erbauung
»von Häusern, auch liess sie ihnen zwei Jahre hindurch Alles verabreichen, was sie zum Lebensunterhalte nöthig hatten, damit Alle künftig
»in jeder Messe ein Ave Maria für sie beten möchten. Die Zahl der Einwanderer belief sich auf zwei Tausend; sie ist mit Denen, die
»nachkamen und dort geboren wurden, auf einige Tausende angewachsen. Im Jahre 1490 wohnten viele tausend Personen daselbst;
»stehen unter dem edlen Ritter Jobst von Hurter, Herrn zu Mörkirchen in Flandern, meinem lieben Schwiegervater, dem diese Insel für
»sich und seine Nachkommen von besagter Herzogin von Burgund verliehen wurde. Es wächst daselbst der Portugiesische Zucker; die
»Früchte reifen zweimal des Jahres; denn es gibt keinen Winter daselbst, und alle Lebensmittel sind wohlfeil, so dass noch jährlich viele
»Leute kommen, um ihren Unterhalt zu finden.
„Im Jahre 1431 nach der Geburt unseres Herrn Jesu Christi, als in Portugal der Infant Don Pedro regierte, wurden zwei Schiffe
»mit allem Nöthigen zu einer zweijährigen Reise, auf Befehl des Infanten Don Heinrich, Bruders des Königs von Portugal, ausgerüstet,
»um auf die Entdeckung von Ländern jenseit des Kap Finisterre auszugehen. Nachdem sie so ausgerüstet waren, segelten sie immer gegen
»Westen, in eine Entfernung von ungefähr 500 Meilen, und entdeckten endlich zehn Inseln *). Als sie an’s Land gestiegen waren, fanden
»sie die Inseln unbewohnt und Vögel darauf, die so zahm waren, dass sie vor Niemand flohen; denn da es weder eine Spur von Menschen,
»noch von vierfüssigen Thieren gab, so waren diese Vögel gar nicht scheu; man gab desshalb diesen Inseln den Namen Azoren. Auf den
»Befehl des Königs sandte man im folgenden Jahre sechszehn Schiffe mit allen Arten von Hausthieren dahin, von denen man einen Theil
»auf jede Insel that, damit sie sich dort vermehrten.
Man sieht aus dieser Anmerkung, dass der Erste, welcher Einwohner auf die Insel Fayal brachte, Jobst von Hurter, der Schwieger
vater Martin’s de Bohemia, gewesen ist; diese Verwandtschaft mag denn auch die Ursache gewesen sein, dass man diese Entdeckung
dem Martin de Bohemia zuschrieb. Auch erkennt man aus dieser Anmerkung, dass dem Jobst Hurter die Statthalterschaft von der Herzogin
von Burgund, kraft der Verleihung dieser Inseln vom König Alfons V., übertragen wurde. Kann man aber Letzteres als eine ausgemachte
Wahrheit annehmen? Hören wir, was darüber der wahrheitsliebende Pater Cordeiro auf Seite 457 seiner Historia insulana sagt:
2) Im Jahre 1466 regierte in Portugal Alfons V., Neffe der Infantin Isabella,
2) Er starb im Jahre 1507 und liegt in der Kirche zur Empfängniss in Lis
weil diese die Schwester König Eduard's war.
sabon begraben.
3) Nach unseren Schriftstellern wurde in diesem Jahre nur die Insel For
migas entdeckt; im nächsten Jahre 1432 landete Goncallo Velho Cabral an
*) Obwohl er im Allgemeinen Azorische Inseln sagt, so will er dem An
St. Maria. Die übrigen wurden in der Folge entdeckt.
scheine nach doch nur von Fayal und Pico sprechen.