Full text: Wāqidī, Muḥammad Ibn-ʿUmar: Geschichte der Eroberung von Mesopotamien und Armenien

XIV 
wenn man auf einige Ereignisse Rücksicht nimmt, welche kurz zuvor 
in den dortigen Gegenden Statt gefunden hatten. 
Mesopotamien war schon seit der Stiftung des Partherreiches (286 
v. Ch. G.) ein Zankapfel zwischen Parthern und Seleuciden, Parthern 
und Römern, Sassaniden und Römern, Sassaniden und Byzantinern. 
Diokletian zwang den König Nersi zur Abtretung der sogenannten 
5 transtigranischen Provinzen (Sophene, Arzanene, Rorduene, Moxoene 
und Arzanene); Schapur II. entriss sie wieder dem römischen Reiche 
in dem unwürdigen Frieden mit Jovian (363. n. Ch. G.), und Mesopo 
tamien blieb nun grösstentheils persische Provinz bis zum J. 628, wo 
Heraklius nach einem 20jährigen Kampfe, nach der Ermordung des 
Chosru II. Parvis die alten Gränzen wieder festsetzte. Aber der lange 
Rampf hatte nicht nur beide Theile erschöpft, sondern auch demoralisi 
rend auf die Völkerschaften eingewirkt, um die es sich eigentlich han 
delte. Ich sage demoralisend, wenn dieses Wort überhaupt noch an 
wendbar ist für ein Land, welches seit mehr denn 350 Jahren der 
Schauplatz der ärgerlichsten Religionsstreitigkeiten zwischen Orthodoxen, 
Manichäern, Eutychianern, Nestorianern, Jakobiten und Armeniern war; 
wo man sich nicht nur zankte, sondern auch verfolgte, und wo es an 
Macht dazu fehlte, seine Zuflucht zur weltlichen Macht nahm, nicht nur 
zu den christlichen Raisern in Konstantinopel, sondern selbst zu den 
heidnischen in Persien. Die vier Folianten der Bibliotheca Orientalis 
von Assemani enthalten eine wahre Unzahl von solchen unerquicklichen 
Ereignissen. Ist es denn ein Wunder, wenn die Geschichte der Ero 
berung von Mesopotamien nur eine fortlaufende Rette des abscheulich 
sten Verrathes und der feigsten Niederträchtigkeit und Treulosigkeit 
darbietet? Und ist das Sehweigen der gleichzeitigen Historiker nicht 
dadurch hinreichend erklärt? Mesopotamien ist von den Arabern erobert 
worden: diese Thatsache steht fest; über das Wie? schweigen alle, mit 
Ausnahme Wakedi’s. Und ist Wakedi’s Bericht, wenn auch nur im 
Allgemeinen, der Wahrheit gemäss, so hat dieses Schweigen seinen 
guten Grund. Für die Byzantiner war hinlänglicher Grund, um den 
schmählichen Abfall vom Christenthume und vom Reich zu verschweigen; 
für die Araber gleichfalls, denn die Erwerbung dieser Länder machte 
ihnen fürwahr wenig Ehre. Welch ein Unterschied von der Geschichte 
der Eroberung von Persien! Wir finden dort einen 17jährigen Kampf 
auf Tod und Leben, einen ehrlichen Kampf mit ehrlichen Waffen, und 
obgleich der grosse Rampf gegen Heraklius erst seit 6 Jahren beendigt 
war, obgleich innerhalb dieser sechs Jahre eine Reihe von Thronum 
wälzungen das Staatsgebäude Persiens in seinen innersten Festen er-
	        
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