Full text: Mueller, Johannes: Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes des Menschen und der Thiere nebst einem Versuch über die Bewegungen der Augen und über den menschlichen Blick

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selben Ort. Wenn also alle Theile eines und desselben Seh 
nerven und seiner Netzhaut different sind, jedem denkbaren 
Theile des einen Sehnerven und der einen Netzhaut, ein 
anderer in dem andern Sehnerven als identisch entspricht, 
so müssen nicht etwa die Sehnerven an ihrem Ursprunge 
mit einander im Allgemeinen vereinigt seyn; denn in dieser 
organischen Vereinigung wäre die relative Identität und 
Differenz der einzelnen Theile noch nicht denkbar; sondern 
alle unter sich differenten Urtheile eines Sehnerven müs 
sen in ihrem Ursprunge mit den ihnen ausschließlich identi 
schen und unter sich selbst differenten Urtheilen oder Fase 
rungen des andern Sehnerven vereinigt seyn. Dieses ist 
der physiologische Begriff des Chiasma der Sehnerven, zu 
dem wir aus Untersuchungen über die subjectiven Gesichtser 
scheinungen gekommen sind. Wohlwissend, daß alle bisherigen 
Untersuchungen über den organischen Bau des Chiasma bei 
dem Menschen ungenügend geblieben sind, sind wir dennoch 
berechtigt, den aus richtig festgestellten subjectiven Thatsa 
chen gewonnenen Begriff vom Chiasma der Sehnerven auf 
demselben Wege zu erweitern. Das was wir Chiasma ge 
nannt haben, hat zweierlei Extremitäten, zwei centrale, 
die sich mit dem Centralmarke, dem Gehirne verbinden, die 
Wurzeln des Chiasma, zwei peripherische, welche nur 
Bündel der sich in identische Theile für zwei verschiedene 
Organe spaltenden Urtheile der Wurzeln des Chiasma oder 
des Chiasma selbst sind, die Sehnerven, oder die 
Zweige des Chiasma. Die Wurzeln des Chiasma, bei 
allen Wirbelthieren, wo eine Verbindung der Sehnerven 
vorkommt, getrennt, enthalten nur durch und durch diffe 
rente Urtheile. Die Sehnerven oder die Zweige des 
Chiasma sind einzeln in ihren Urtheilen different mit ein 
ander, aber nicht wie die Wurzeln des Chiasma überhaupt 
different, sondern in entsprechenden Theilen identisch. 
So entsteht uns die vorläufige Anschauung von der
	        
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