ZEHNTES BUCH. VI. KAPITEL.
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Beyspiele zur Ktesiphonischen Ziehmaschine können die
Walzen — cylindrus— abgeben, womit man in den Kampfschulen
— palaestra— die Gänge — ambulationes — eben zu machen pflegt.
Jedoch würde man auch auf diese Art den vorgesetzten Zweck nicht
erreicht haben, wofern nicht erstlich die Nähe des zum Tempel ge¬
weiheten Platzes— fanum zu statten gekommen; denn von dem
Steinbruche bis dahin sind nicht über achttausend Fufs; ") und dann
auch keine Höhe dazwischen gewesen wäre; denn der Boden ist
durchaus eben. ")
Zu meiner Zeit aber borst im Tempel das Fussgestell des Colos¬
salischen Apolls vor Alter. Man fürchtete die Bildsäule möchte
herabstürzen und zerbrechen, und liefs also in dem nehmlichen Mar¬
morbruche ein neues Fussgestell hauen. Ein gewisser Paconius
warf sich zum Unternehmer auf. Das Fussgestell war 12 Fuss lang,
8 Fuss breit, und 6 Fuss hoch. Aus Eigendünkel, um es nicht auf
des Metagenes Weise an Ort und Stelle zu bringen, liess Paco¬
nius sich einkommen, nach derselben Theorie eine Maschine von
einer anderen Art zu verfertigen. Er machte nehmlich Räder unge¬
fähr von 15 Fuss, schlofs des Steines Enden darin ein, und ver¬
band diese beyden Räder rings um den Stein her durch zweyzöllige
— sextantalis — Quersprossen so, dals eine Sprosse von der anderen
nicht weiter als Einen Fuss abstand. Darauf wand er um diese
m) Ich nehme Chandlers Verbesserung millia pedum, für millia passuum an
Siehe dessen Reise in Klein-Asien S. 193. Note*
n) Aus der Art und Weise wie Vitruv hier vom Locale des Tempels zu Ephe¬
sus spricht, und aus den beyden folgenden Anekdoten, die er erzählt, möchte ich
fast schliefsen, dafs er selbst an Ort und Stelle gewesen wäre: und so hätte er denn
doch die Meisterstücke der Griechischen Baukunst anschaulich, und nicht bloss aus
Büchern, kennen können!