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M. VITRUVIUS P. BAUKUNST.
Man macht auch runde Tempel. *) Einige derselben, welche
bloss eine Säulenstellung ohne Zelle haben, heissen Monopteri
(d.i. Ein Flügel); andere Peripteri (Flügel rings umher). Die
ohne Zelle haben ein Tribunal, s) das heifst, eine Freytreppe vom
Drittel ihres Durchmessers. Die Säulen werden auf einen Saulen¬
stuhl — stylobata, —
gestellt, und zur Höhe wird ihnen der Durch¬
tuen u. s. w. besetzt denke, setze ich senkrecht über die hervorragenden Köpfe der
Balken, und also um 1 der Säulenhöhe über die Säulen hervor springend. ) In der
Vorhalle setze ich den vordersten mittleren Säulen keine in der zweyten Reihe gegen¬
über; sondern gebe dem Tempel überhaupt nur sechs Säulen. Auch lasse ich nicht
die Seitenwände mit den Eckwandpfeilern vortreten, und mache also nicht hinter der
ersten Säulenreihe einen Griechischen Tempel in antis.
f) Weil Vitruv in vorigem Kapitel sagt, er wolle nun von der Toskanischen
Bauart handeln, so sind viele und unter andern J. B. Piranesii de Rom,
magnif. p. CXLII. der irrigen Meinung, die runden Tempel seyen eine Toskanische
Erfindung. Allein Vitruv hat in den vorhergehenden Kapiteln von den regelmässigen
gewöhnlichen Tempelgattungen der so genannten drey Ordnungen gehandelt; darauf
geht er zu den Tempeln nach Toskanischer Bauart über. Die dahin gehörigen Vot¬
schriften schliefsen mit dem obigen vorhergehenden Absatze. Itzt sollte von Rechts
wegen ein neues Kapitel anfangen, das zur Überschrift führen könnte: Ungewöhn
liche und unregelmässige Tempelgattungen. In der That waren die run
den Tempel bey den Griechen nicht sehr gewöhnlich. Vitruv gedenkt, bloss des
Tholus zu Delphi, B. VII. Vorr, und Pausanias erwähnt nur eines einzigen solchen
Gebäudes zu Sparta, in welchem die Bildsäulen Jupiters und Venus standen
(III. 12.). Die anderen runden Gebäude, die dieser Schriftsteller anführt, als das Schatz
haus des Minyas zu Orchomenus, das runde Gebäude zu Epidaurus, das
Polyklet gebauet hatte, und einige andere, waren keine Tempel.
Dals aber Vitruv in diesem Kapitel wirklich nicht bloss von Toskanischen Tem
peln handele, erhellt auch noch aus der Folge, wo es heisst: Einige nehmen
auch von der Toskanischen Gattung die Stellung der Säulen u.s.w.
g) Zur Erläuterung siehe die Abbildung eines Basreliefs in weissem Marmor in der
Galerie zu Florenz, Tab. XXXVIII. Fig. I. II. III. J. B. Piranesii de Romano¬