DRITTES BUCH. II. KAPITEL.
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Was den Eustylos betrifft, dessen Einrichtung so wohl in Rück¬
sicht des Gebrauchs, als des Ansehens und der Festigkeit den meh¬
resten Beyfall verdient: so muss dessen Säulenweite von zwey Säu¬
lendicken und einem Viertel seyn; die mittlere Säulenweite aber,
so wohl in der vordern als hintern Fronte, von drey Säulendicken;
denn also erhält er ein schönes Ansehen, einen geräumigen Eingang,
und einen stattlichen Gang um die Zelle her. Die Verhältnisse des¬
selben sind folgende:
Soll des Tempels bestimmte Fronte viersäulig werden, so theile
man sie in zwölftehalb Theile, die Auslaufungen und Ausladungen
der Basen ungerechnet: soll sie sechssäulig werden, in achtzehn
Theile: wofern aber achtsäulig, in fünf und zwanzigtehalb Theile.
Je nachdem sie nun vier- sechs- oder achtsäulig seyn soll, nehme
man von diesen Theilen Einen, und dieser ist der Model. Einen
solchen Model gebe man der Säulendicke. Die Säulenweiten ins¬
gesammt müssen von zwey Modeln und einem Viertel seyn, aufser
die mittleren in der Vorder- und Hinter-Fronte, welche je von drey
Modeln zu machen sind. Der Säulenhöhe sind neuntehalb Model
zu geben. Durch diese Eintheilung werden so wohl die Säulenwei¬
ten, als auch die Säulenhöhen das gehörige Verhältniss erhalten. Wir
haben hievon zu Rom kein Beyspiel, aber in Asien zu Teos den
mit 4 Pferden, von gebrannter Erde und vergoldet. Ein geräumiger Vorhof — atrium,
peribolus, — zu dem man, so wie zu dem Tempel selbst, auf Stufen empor stieg, schloss
das Ganze ein.
Nach 415 Jahren brannte dieser Tempel ab; wurde aber vom Sylla vollkommen in
der alten Gestalt, nur aus kostbareren Materialien, wieder hergéstellt, und so stand er
noch zu Vitruvs Zeiten. Unterm Vitellius brannte er zum zweytenmale ab; Ves-
pasian stellte ihn wieder her, zwar auch in derselben Form, jedoch höher, weil er Ko¬
rinthische Säulen von Pentelischen Marmor aus Athen dazu kommen liefs.