ZWEYTES BUCH. VIII. KAPITEL.
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dert mit ihrer wohlausgerüsteten Flotte in den grossen Hafen ein, und,
auf Artemisiens Befehl, wird ihnen von den Mauern herab zu¬
geklatscht, und die Übergabe der Stadt verheissen. Sogleich landen
sie, und verlassen die Schiffe, um in die Stadt einzudringen. Da lässt
Artemisia, vermittelst eines Canals den kleinen Hafen öffenen,
sticht mit ihrer Flotte in die See, läuft in den grossen Hafen, bemäch¬
tiget sich mit ihrer Mannschaft der leeren feindlichen Schiffe und
geht damit ins hohe Meer; die Rhodier aber, auf solche Weise
eingesperrt, da ihnen die Flucht abgeschnitten, werden auf dem Markte
niedergemacht. Hiemit noch nicht zufrieden, geht Artemisia
mit der von ihr bemannten Flotte der Feinde nach Rhodos. Die
Rhodier, die von fern ihre mit Lorbern bekränzte Schiffe ankom¬
men selien, wähnen nicht anders, als ihre siegreich zurückkehrenden
Mitbürger zu erblicken; an ihrer Statt aber empfangen sie den Feind.
Also Meisterin von Rhodos, tödtete Artemisia die Vornehmsten
und errichtete in der Stadt als Siegesmal zwey eherne Bildsäulen,
deren Eine die Stadt Rhodus, die andere aber Sie selbst vorstellte,
wie sie jene brandmalte. Geweihete Siegeszeichen hinweg zu nehmen,
verbietet die Religion; es umbaueten daher die Rhodier nachmals
den ganzen Platz, errichteten oben darüber ein Griechisches Schilder¬
haus — Graeca statio, — damit niemand hinein sehen konnte, und
nannten ihn Abaton, d. i. den Unzugänglichen.
Da nun so mächtige Könige, welche in Rücksicht ihrer Einkünfte
sowohl als der vorfallenden Beute, nicht allein mit Bruchsteinen und
Quadern, sondern sogar mit Marmor hätten bauen können, die Mauern
aus Ziegeln nicht verschmähet haben; so glaube ich dürfen auch wir
die aus Ziegeln aufgeführten Gebäude nicht verwerfen, wofern sie
sonst gehörig gemacht sind. Zu Rom zwar dürfen die Einwohner
keine dergleichen Gebäude verfertigen; dieses rührt aber von einem