M. VITRUVIUS P. BAUKUNST.
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aus sehr kleinen Steinen verfertigen, damit die Steine häufiger mit
der Kraft des Mörtels gesättiget und also desto fester verbunden wer¬
den. Denn, da sie aus einer lockern, porösen Masse bestehen, so
ziehen sie, indem sie trockenen, aus dem Mörtel den Saft in sich;
ist nun Fülle des Mörtels vorhanden, so hat auch die Wand desto
mehr Feuchtigkeit und wird nicht so geschwind wandelbar — evani¬
dus, — sondern hält fest; sobald aber aus dem Mörtel die Kraft durch
die Poren der Bruchsteine herausgezogen ist, so trennt sich der
Kalk vom Sande und lösst sich auf; es können also auch die Brucli¬
steine nicht mehr damit verbunden seyn, und so verfallen die Wande
mit der Zeit. Man kann diess an einigen Grabmälern um Rom
wahrnehmen, deren Futtermauern von Marmor oder Quadersteinen
erbauet und inwendig mit Schutte — farctura — ausgefüllt sind.
Da durch die Länge der Zeit die porösen Steine alle Kraft des Mör¬
tels in sich gesogen; so fallen die Mauern ein, weil die Fugen aus-
einander lassen.
Will man diesen Fehler vermeiden, so behalte man den mitt¬
leren leeren Raum zwischen den Futtermauern bey, führe innerhalb
desselben, zwischen den Strebepfeilern — orthostata — aus rothem
Steine — ex rubro saxo, — oder Brandsteinen — testa, — oder ge¬
meinen Kieseln, zwey Fuss starke Mauern auf, und verbinde die bey¬
den Futtermauern — frontes — durch eingelöthete — plumbo vin¬
cire — Klammern — ansa. — Ein Werk auf diese Art nicht unor¬
dentlich — acervatim — aufgeschüttet, sondern mit Ordnung aufge¬
mauert, kann in Ewigkeit unversehrt fortdauern; weil der Mauern
Lager und Fugen so geordnet sind, dass dadurch eine feste Verbin¬
dung entsteht; daher sie denn eben so wenig das Gebäude aus ein¬
ander treiben, als die zusammen verbundenen Strebepfeiler gegen ein¬
ander sinken lassen. Es ist daher der Griechen Mauerwerk