ZWEYTES BUCH. VIII. KAPITEL
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ACHTES KAPITEL.
Arten des Mauerwerks.
Die Arten des Mauerwerks — struckura — sind folgende: Das Netz¬
förmige *) — reticulatum — welches itzt allgemein üblich ist; und
das antike — antiquum, — welches das Ungewisse — incertum
heifst.
Das Netzförmige ist das schönste; es ist aber sehr geneigt,
Risse zu bekommen, weil es weder horizontale Lager — cubicula
noch gedeckte Fugen hat. Das Ungewisse hingegen gewährt zwar,
da die Bruchsteine ohne Ordnung über einander liegen und mit ein¬
ander verbunden *) sind, keinen so schönen Anblick als das Netz¬
förmige; aber es ist dafür desto dauerhafter. s) Beyde muss man
e) Die Mauern von kleinen Steinen — sagt Winkelmann in den Anmerkun-
gen über die Baukunst der Alten, S.13 — wurden insgemein mit keilförmig ge
hauenen Stücken Tufo, deren Fläche viereckigt ist, oder mit eben solchen Kieselsteinen
belegt und gefüttert, und diese Art heifst bey den Alten opus reticulatum, weil die Lagen
dieser Steine nach Art des Gestricks eines Netzes gehen. Diejenigen, welche diese Aus¬
fütterung als lange Würfel vorstellen, irren sich. Vitruv behauptet, dass dergleichen
Mauerwerk nicht dauerhaft sey; es haben sich aber gleichwohl ganze Gebäude, welche
völlig so gemauert sind, erhalten; wie unter andern die so genannte Villa des Mäce¬
nas zu Tivoli, der Rest von dem Tempel des Hercules daselbst, die Überbleib¬
sel von der Villa des Lucullus zu Frascati, und grosse Stücke Mauern von der
Villa des Domitian zu Castel Gandolfo. In anderen Ländern ausser Italien
befinden sich mehr Überbleibsel von dieser Art Mauerwerk.
f) Ich lese implicata, anstatt imbricata.
g) Es besteht aus rohen Bruchsteinen von ungleicher Form und Gröfse, so wie sie
aus dem Bruche kamen.