Full text: Genelli, Hans Christian: Exegetische Briefe über des Marcus Vitruvius Pollio Baukunst an August Rode

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sonst das innere Pteroma? Aus demselben Grunde aber können wir auch schliefsen. 
dass an den Pseudodipteren das Pteroma keine steinerne Decke hatte. 
In den Ruinen von Pästum steht ein Tempel, der in den Giebelfrenten neun 
Säulen hat, und folglich eine im Mittel. Um zwey-Weiten einwärts sind die Spuren 
der Zellenmauern, und die Zelle ist demnach noch einmal so breit wie einer der 
Säulengänge. Diese Breite ist wieder in gleiche Hälften getheilt durch eine Reihe 
Säulen, welche höher und stärker sind als die des Pteroma, und schnurgerecht mit 
den Mittelsäulen der Fronten stehn. Erwähnte Säulenreihe gieng dem Anschein nach 
nicht durch die ganze Länge des Gebäudes, sondern liefs vorne und hinten einen 
freyen Plaz. Dies war nach aller Wahrscheinlichkeit ein Pseudodipteros, an welchem 
man die Breite der Zelle zu gross für die Tragbarkeit der Balken erachtet hatte 
daher man sie denn im Mittel durch einen Träger und Säulen gestützt hatte: so 
dals also die Spannung der Balken in vier gleiche Theile getheilt war. Vielleicht 
2 auch, dass die trabes everganege nicht aus einem Stücke waren, und also deshalb die 
Unterstützung im Mittel nöthig befunden worden, wie solches leichtlich der Fall 
werden konnte, sobald man zur Dachverbindung fremde und seltene Holzarten be¬ 
stimmte. Von den beyden leeren Plätzen war der eine zur Aufstellung der Statue 
bestimmt, und der andre diente zum Pronaos, wo geopfert wurde, und war durch 
keine Mauer von der Zelle getrennt. Hieraus erklärt sich die mittlere Säule in den 
Fronten, indem der Balkenträger fortlaufend bis auf die Giebel reichte, wo dessen 
Kopfenden durch jene Säulen gestützt wurden. Einen vollkommenen Dipteros aber 
glaube ich in den Überbleibseln des Ogdostylos zu Selinurt zu erblicken, welchen 
Houel, meines Bedünkens fälschlich, für einen Hypäthros ausgiebt. 
Aus meiner bisherigen Entwickelung scheint mir deutlich genug hervorzugehn. 
welchermalsen unter den vier Hauptverschiedenheiten der Tempelgattungen die vor¬ 
hergeliende immer in der folgenden enthalten ist: der Tempel in antis in dem Pro¬ 
stylos und Amphiprostylos, jener wieder im Peripteros, dieser im Dipteros und Pseu- 
dodipteros. Aus diesem Grunde bestimmt Vitruv die näheren Verhältnisse des eigent 
lichen templum in antis nur zu allerlezt, ob er ihn gleich in der Reihe zuerst be¬ 
schreiben musste: weil er in allen folgenden Gattungen zum Grunde liegt, folglich 
aber auch seine Dimensionen ihnen sämmtlich gemein sind. Und daher ruhrt es 
ebenfalls, dafs er in ihren Fronten die Zahl der Säulen so gleichmässig immer um 
zwey steigen last: so dass die erstere Gattung zwey, die andre vier, die dritte sechs 
und die vierte acht erhält. An diese Progrefsion der Säulenzahl schliefst er nun die 
flypathren an, deren es, in Rücksicht auf das Pteroma, in seinem System zwey 
Gattungen giebt: nämlich solche, deren Pteroma einfach ist, und solche, die ein dop¬ 
peltes Pteroma haben.
	        
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