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nahmen von Viruvs Regel sind. Der eine von beyden ist der Tempel des Theseus
Athen, welcher im Postikum eine der Céstalt nach dem Pronaos vollig ahnliche
Nachzelle hat. Stuart giebt demselben auch, wie dem Prondos, eine Thüre in die
Nachzelle hinein; aber ohne irgend eine Veranlasung dazu zu haben, weswegen ich
nich auch für bérechtigt halte diese Thüre zu verwerfen. Eine mögliche Ursache
zi dieser Nachzelle haben ich schon oben angegeben; und was mich besonders in
jener Vermuthung bestärkt, ist diels, dals sowohl der Gang des Pteroma im Posti¬
kum, als auch die Nachzelle beträchtlich tiefer sind, als das Pronaos und der vor¬
dere Cang des Pteroma, indem von diesen jedes nur ungefähr anderthalb Säulenwei¬
ten des Pteroma, von jenen aber jedes volle zwei solcher Weiten einnimmt. Die
Nachzelle war hier eigentlich ein Aftertempel, der nicht so grofs seyn durfte wie
die Hauptzelle, aber doch gröfser werden musste als das Pronaos: denn hier war der
Platz nur für die Opfèr Uestimnit, dort muste aufser dem hierzu nöthigen Raum
noch Platz für die Gottheit seyn. Der zweyte Tempel dieser Art ist der Konkor¬
dientempel zu Cirgenti. An diesem ist die Zelle selbst noch ein Mal so lang als
breit, und hat auf jeder der längern Seiten sechs Bogenöffnungen. Es ist leicht
möglich, dass hier das Bild der Gottheit in der Mitte der Nachzelle gestanden habe,
wie Houel in seinem wunderlichen Durchschnitt es angiebt. Es liegt etwas in der
Idee der Kenkordia, welches leicht dazu veranlassen konnte: doch ist das nicht mit
Gewissheit zu bestimmen. Erwägt man noch, dass, wegen der Seitenöffnungen in
der Zelle, das Pteroma leicht durchaus durch Plutei verschlossen seyn mogte, so
könnte man vielleicht berechtiget seyn, diesen Tempel für ein Mittelding zwischen
einem bedeckten Peripteros und einem vollständigen Hypathros anzusehen. Dem sey
aber wie ihm wolle, die Gottheit mag nun mitten in der Zelle oder hinten im
Grunde derselben gestanden haben, so glaube ich doch, dass man die Darstellung des
Houel gerade umkehren mulse : das heifst, was er fur die vordere Fronte des Tem-
pels ausgiebt, halte ich für die hintere. Nach meiner Meinung also war das Pro¬
naos, welches hier nur halb so tief als weit ist, gar nicht durch eine Mauer, son-
dern blos durch drey Stufen, von der Zelle abgesondert, so dass man während dem
Opfer ganz ungehindert den Anblick der Gottheit hatte. Sie sollte der ganzen Welt
so viel als möglich immer vor den Augen gestellt seyn: daher auch die Bogenöff¬
nungen an den Seiten des Naos. Hinter diesem lag eine Nachzelle von gleicher
Gestalt und Dimension mit dem Pronaos, welche aber durch einen Treppenraum
von dem Naos abgesondert war; und da doch der Zugang in das Naos von allen
Seiten möglich bleiben musste, so war eine Thüre, die durch diesen Treppenraum
führte, in der Mitte offen gelassen, welche, von der Seite des Pronaos angesehen,
durch das Bild der Gottheit gedeckt wurde. Kurz, dieser Tempel weicht so sehr
von der gewöhnlichen Einrichtung ab, dass er unmöglich gegen den Text Vitruvs,
Sed id JaeT.2.