Full text: Genelli, Hans Christian: Exegetische Briefe über des Marcus Vitruvius Pollio Baukunst an August Rode

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ist zu bewundern, wie seine Nachfolger nie darauf achten wollen, blos weil er sie 
weiter ausgebildet und vervollständigt hat. Er bemerkte nehmlich an allen Ueber¬ 
bleibseln einen Umzug mehr, als Vitruv seiner Volute gegeben, und daher zog er 
innerhalb dem ersten noch zwei andere Quadrate; wodurch er, indem nun alle 
zwölf Centra aufser einander fielen, zugleich einen etwas besser Anschein von 
Verjüngung gewann. Newtons Methode hingegen, so viel Mühe er sich auch 
damit giebt, verfehlt gänzlich das Ziel. Er gebraucht ein Centrum mehr als er 
sollte, und dieselben stehen nicht um eine halbe Miuute aus einander, ja sie sind 
nicht einmal gleichmässig vertheilt: wie doch Vitruv beides fodert. Daher besteht 
denn auch sein Zug nicht aus blossen Quadranten, sondern abwechselnd aus Halb¬ 
kreisen und Octanten, und es ist sonach gar nicht für Vitruvs Volutenzug zu hal¬ 
ten. Perrault setzt das Quadrat also, dals das Centrum des Augenkreises zu¬ 
gleich Mittelpunkt des Quadrats ist. Allein solches kann nach der Strenge, mit 
welcher man Vitruvs Sprache nehmen muss, nicht verstattet werden: denn dals er 
aufser dem Cathetus, der zur blossen Eintheilung der Höhe hinlänglich war, noch 
eine Lothlinie durch den Mittelpunkt des Auges zieht, wäre eine Spielerei ohne 
Sinn, wenn er sie nicht brauchte, um den Volutenzug darauf zu beginnen und zu 
schliefsen. Bei ihm aber ist jene Linie die Richtschnur für den Umlauf und, da das 
erste und letzte Centrum auf sie fällt, zugleich dessen wahrer senkrechter Durch¬ 
messer. Auch stehen ferner Perraults übrige Centra, deren er gleichfalls zwölf 
annimmt, also dals die Quadranten nicht ununterbrochen in einander überfliessen 
können. 
In dem Vitruvschen Volutenzug beträgt sonach der Radius des innersten Um¬ 
zugs drei Viertel, der nächste Eine und ein Viertel, der dritte Eine und drei Vier¬ 
tel, der vierte Zwei und ein Viertel, der fünfte Zwei und drei Viertel, der sechste 
Drei und ein Viertel, der siebente Drei und drei Viertel, und der achte Vier und 
ein Viertel Minuten; die Totalbreite aber, oder der ganze Diameter desselben 
beträgt Sieben Minuten. 
Die Fehler dieser Methode bestehen darin: dafs, wie schon Perrault an der 
Goldmannschen tadelte, sie zu sehr nach aussen hin trägt, indem die Centra 
dorthinwärts liegen und nicht in der Mitte, und folglich die Volute innerhalb 
der Lothlinie mit einemmal zu schwach wird: dass bis auf den allerinnersten Qua¬ 
dranten, wo sie sich plötzlich zuspitzt, die Volutenfläche durchweg die gleiche 
Breite von zwei Minuten behält, wodurch sie bei dem so schnellen Anwuchs des 
Zuges im innern Umlauf sogar breiter als im äussern erscheint: so wie auch 
die Goldmannsche und Perraultsche immer noch durch vier Quadranten
	        
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