Full text: Genelli, Hans Christian: Exegetische Briefe über des Marcus Vitruvius Pollio Baukunst an August Rode

Zum dritten, so habe ich im vorigen Hefte e) den Tempel zu Olympia für ei¬ 
nen bedeckten Peripteros ausgegeben aus diesen drei Gründen Erstlich konnte 
ich aus den vom Pausanias angegebenen Maassen nach den Verhältnissen, die zur 
Zeit der Erbauung dieses Tempels in Griechenland üblich waren, nicht mehr als 
einen Hexastylos herausbringen f): Vitruv aber fordert eine zehnsäulige Fronte. 
Allein das ist kein hinlänglicher Grund zu leugnen, dass er ein Hypäthros war, da 
es mehr Hypäthren gab, die nur fünf Säulenweiten breit waren. Zweitens gedach¬ 
te ich des Gespöttes über die Größse des Gottes, der mit der Scheitel an die De¬ 
cke reichen sollte, so dass er nicht vom Throne aufstehn konnte: allein ich kann 
nicht beurtheilen, in wiefern solche Stellen aus dem Griechischen richtig übersetzt 
werden mögen; es könnte wohl, statt der Decke, von dem Velarium die Rede 
seyn, welches als Schirm über die offene Celle gespannt wurde. Drittens lag mir 
in der Erinnerung, wie Pausanias g) vom dem assyrischen Vorhang vor dem Bild 
des Gottes meldet, dass er nicht, wie in dem Tempel der Diana zu Ephesus, in 
die Höhe an die Decke gezogen, sondern auf den Boden herunter gelassen 
wurde: woraus ich folgern zu müssen glaubte, entweder dieser, oder der Tempel 
zu Ephesus sey ein bedeckter Tempel gewesen; nun war aber letzterer unstreitig 
ein Hypäthros. Doch auch gegen diesen Grund gilt, was ich gegen den vorigen 
erinnert habe. Dagegen aber erwähnt Pausanias einer Hinterthüre am Olympi¬ 
schen Tempel; und was er von dem Säulengang in der Celle sagt, liesse sich doch 
gar wohl auf einen Hypäthros deuten. Kurz ich kann meine Behauptung über 
diesen Tempel nicht verfechten, auch weiss ich nicht ob unter den verschiedenen 
Meinungen über die Zeit, da Vitruv gelebt haben soll, irgend eine ihn so spat 
setzt, dass er den des Olympischen Jupiters zu Athen in seiner letzten Gestalt ge¬ 
sehen haben konnte. 
Obgleich die Worte des Pausanias h), da wo er von den Bildnereien am in¬ 
nern Fries des Pteroma spricht: „Ueber der Thür des Tempelhauses etc. 
und „Ueber der Thür an der Hinterseite etc. — sehr deutlich von Einer 
Thür im Mittel der Hinterfronte am Tempel zu Olympia zeugen; so glaube ich 
dennoch nicht, dass solches durchaus Regel war. Auch sagen Vitruvs Worte i) 
e) Siehe d. 2ten Brief, pag. 27. 
f) Nehmlich in der Fronte zu fünf und in der Länge zu dreizehn Säulenweiten. 
g) In Goldhagens Uebersetzung: Elea, pag. 609. 
h) Ibidem, pag. 601. 
*) Libr. III. Cap. I. pag. 64.
	        
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