Full text: Genelli, Hans Christian: Exegetische Briefe über des Marcus Vitruvius Pollio Baukunst an August Rode

letzten Vollendung meiner Ansicht idieses Gegenstandes gehören.Erstlich habe 
ich im vorigen Heft den Uèberschufs am inneren Tempelhaus uber die Lange 
der Celle und des Pronaos durchweg nur zu Treppen angewendet: weil man in 
den Ueberbleibseln solcher Tempel nur die Stelle der Treppen an ihm erkennt, 
Derselbe steigt, cnicht nur nach der Art der angewendeten Saulenstellung, sondern 
auch mit der Erweiterung der Gattung des Tempels selbst. Das folgt nothwendig 
aus den Angaben Vitruys: in jeglichem Dipteros muss solcher Ueberschufs grösser 
werden als im einfachen Peripteros; im Diastylos grösser als im Systylos u. s. w.; 
an einem — templum in antis — am Prostylos und Amphiprostylos hingegen ist 
er bei ihm nicht auszumitteln, und man darf aufs höchste voraussetzen, dass er es 
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da freistellt ihn anzubringen, wo er für nöthig erachtet werden möchte. 
Freilich waren an diesen kleinern Tempelgattungen wohl seltner Treppen 
nöthig; denn wo sollten sie hinführen, sobald im Innern der Celle nicht Gänge 
über Säulen angebracht waren? diese aber konnten nur bei ziemlich grossem 
Maassstabe Statt haben. In den meisten Peripteren hingegen können wir wohl 
solche Gänge über Säulen annehmen, und zwar nicht bloss, wie ich im zweiten 
Heft angab, um auf das Fussgestell der Gottheit zu führen; sondern ich bin versi- 
chert, dass auch häufig sie an den längeren Wänden der Celle hinliefen, wenn 
gleich ihre Säulenstellung nicht wie in den Hypäthren aus zwei Reihen bestanden 
Diese forderten nun allerdings Treppen; und eben wegen der Richtung dieser 
Gänge längs den Seitenwänden finden wir auch die Treppen in den Ecken ange¬ 
bracht, und zwar oft im Pronaos selbst. Allein solche Treppenräume brauchten 
dann doch nicht nach der Erweiterung der Gattung des Tempels, sondern höch¬ 
stens nur mit dem Maafsstab zu wachsen: und bloss aus Bequemlichkeit der 
Eintheilungen dürfen wir nicht annehmen, dass man diesen Raum habe wachsen 
lassen. Wäre er nicht mit Erweiterung der Tempelgattung immer nöthiger gewor¬ 
den, so hätte man sicher andre Verhältnisse ausgemittelt. Hingegen finden wir in 
den Beschreibungen vorzüglich grosser Tempel oft besonders der Tempelwär 
ter erwähnt, die in den Tempeln selbst wohnten; solche Wohnung aber forderte 
einen Platz, der ihr nicht schicklicher als hinter der Celle angewiesen werden 
konnte, und musste nothwendig mit den Treppen in Verbindung stehn, da die 
Gänge in der Celle wohl vorzüglich wegen der Lampenbeleuchtung angebracht 
waren. Ferner musste mit der Grösse des Tempels das Bedürfniss nach besondern 
Kammern steigen, worin die grossen Schätze und so viele Geräthe aufbewahrt wür¬ 
den, die nicht immer gebraucht wurden und nicht beständig in der Celle stehn 
bleiben durften. Jener übrige Raum war mithin wohl in mehr Geschosse einge¬ 
theilt, da die beträchtliche Höhe eines Tempels ohnehin für die Wärterwohnung
	        
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