Full text: Sechster Band (6)

§. 963. 
Vom Athmen. 
399 
Die Umwandlung im Blutsysteme. 
§. 963. Mit dem Eintritte in das Venensystem beginnt die 
dritte Stufe der Blutbildung. Das neugeborne Blut, um bei 
diesem Gleichnisse zu bleiben, kommt hier in freie Gemeinschaft 
mit dem ältern Blute, gelangt mit diesem durch die Arterien zu 
den verschiednen Organen, geht in den Haargefäßen derselben eine 
Wechselwirkung mit ihnen und mittels derselben auch mit der 
Außenwelt ein, und bildet sich dabei vollständig aus. Hatte es 
während seines Embryonenzustandes den Einfluß der Atmosphäre 
nur vermittelst des an der Luft arteriös gewordenen Mutterblutes 
in den als Fruchtkuchen wirkenden Lymphganglien (§. 959. e) 
erfahren, so tritt es nach seiner Geburt in unmittelbaren Verkehr 
mit der Atmosphäre; und hatte es sich dort mehr aufnehmend 
und leidend verhalten, so ergeht es sich nun in freierer Selbst 
thätigkeit, belebend und hinwiederum belebt werdend. — Tiede 
mann und Fohmann (Nr. 732. S. 10. 85) nehmen an, 
durch die Einmündung von Lymphgefäßen in Venen innerhalb 
der verschiednen Lymphknoten (§. 900. b) seien die Wege zum 
übergange von Chylus und Lymphe in das Blut deshalb verviel 
fältigt, weil diese Flüssigkeiten, wenn sie nur an einem Puncte 
und in größerer Menge auf einmahl ins Blut kämen, nachthei 
lig wirken würden. Da aber Chylus und Lymphe auf ihrem 
Wege umgewandelt werden, so scheint es vielmehr nöthig zu sein, 
daß sie das ganze Lymphsystem durchlaufen, um zum Eintritte in 
das Blut vorbereitet zu werden; man möchte glauben, daß jene 
vielfachen Mündungen vornehmlich nur bei Überfüllung des Lymph 
systems einen Theil von dessen Inhalte, der in den Lymphknoten 
schon eine Umwandlung erfahren hat, vom Stamme ableiten. 
a) Haller (Nr. 152. I. p. 184) sah deutlich Chylus in die a. 
Schlüsselbeinvene einfließen und verfolgte seinen Lauf im Blute 
bis zur Lungenarterienkammer, wie denn auch mehrere andre 
Beobachter (Nr. 95. II. p. 14 sq.), Scudamore (Nr. 521. 
S. 120), Seiler (Nr. 242. II. S. 354) u. s. w., mehrere 
Stunden nach der Aufnahme von Nahrung das Blut, nament 
illlich sein Serum, durch beigemischten Chylus weiß gefärbt fanden.
	        
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