Achtes Buch.
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S. 125) ein alter Gelehrter sich über die Abnahme seines Gedächt
nisses freute, weil ihm nun die Lectüre eines guten Buches immer
von Neuem Vergnügen schaffe.
§. .591. Am Greise treten Züge eines früheren Alters und
A) namentlich der Kindheit hervor. a) Er hat Ähnlichkeit mit dem
Kinde in dem Mangel an Zähnen und an Zeugungskraft, in der
Kleinheit der Kiefer und in der Schwäche der Muskelkraft. Man
hat diese Vergleichung vielfältig angestellt, z. B. Fischer (Nr. 472.
S. 86 bis 91), nicht selten auch auf lächerliche Weise übertrieben,
und das Greisenalter geradezu seinem Wesen nach als eine Rückkehr
zur Kindheit geschildert, indem man die kindische Albernheit und
andere Schwächen einzelner Individuen zum Maaßstabe nahm.
Jörg (Nr. 454. S. 458 bis 470) hat diese bis zum Überdrusse
wiederholt vorgetragene Ansicht hinreichend widerlegt. Zwischen bei
den Altern findet in der That eine wesentliche Unähnlichkeit Statt:
bei dem Kinde ist das äußere Leben noch schwach, weil es erst in
seiner Entwickelung begriffen und nur der Vorläufer innerer Kräf
tigkeit seyn soll; bei dem Greise hingegen ist es zurückgedrängt durch
das Vorherrschen des Inneren, Centralen. So wenig die Zeit in
ihrem Laufe wieder umkehrt, eben so wenig schreitet auch das Alter
in seinem Wesen zurück; wie aber die ewig fortschreitende Zeit
frühere Verhältnisse wiederholt, so nimmt auch das menschliche
Alter in seinem Laufe frühere Formen an, so jedoch, daß diese Er
scheinungen nur untergeordnet sind. Der Greis löst sich von dem
Treiben der bürgerlichen Gesellschaft ab und wird von ihren Fesseln
frei, indem er zur Universalität herangereift ist, während das Kind
nur durch die Beschränktheit seines Gesichtskreises von dem Ein
greifen in das gesellschaftliche Verhältniß abgehalten wird; dieses
hält sich bewußtlos an die Natur, weil es ein Erzeugniß der Natur
ist, jener hingegen gewinnt die kindliche Unbefangenheit, indem er
mit Freiheit und Selbstbewußtseyn durch die Vernunft von den
Menschenwerken zur Natur zurückgeführt wird. So hat die kindi
sche Schwäche des kranken Greises nur scheinbare Ähnlichkeit mit
der normalen Entwickelungsstufe der Kraft in der Kindheit; und
wenn bei unvollkommener Organisation im höheren Alter der rha
chitische und skrophulöse Habitus wiederkehrt und den Marasmus