Siebentes Buch.
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liche Alleinherrschaft des leiblichen Bedürfnisses immer mehr beschränkt
durch den erwachenden, freieren Verkehr der Seele mit der Außen
welt, welcher eine Zeit lang nur in Aufnahme, bald aber auch in
Gegenwirkung besteht. Die Seele beginnt, sich die Welt anzueig
nen: noch schwach, bloß auf den äußeren Schein des materiellen
Daseyns, auf die nächste Gegenwart und einen engen Umkreis
beschränkt, gleichwohl so, daß ein Höheres, Verstand und Gefühl,
durch die niedere Form hindurchblickt, und auch bei aller Verwandt
schaft mit dem Thiere die menschliche Eigenthümlichkeit sich überall
offenbart: g) Mit ungemeiner Schnelligkeit geht die psychische Ent
wickelung in diesem kurzen Zeitraume vor sich, der die Grundlage
des ganzen folgenden Lebens in sich schließt; es ist im Psychischen
zwischen dem Neugeborenen und dem dreivierteljährigen Kinde ein
eben so großer Abstand, als im Leiblichen zwischen dem Embryo
und Neugeborenen; keine andere Periode des Lebens führt so große
Umwandlungen herbei und schreitet so schnell in der Entwickelung
Um für die Zeitfolge dieser Entwickelung
der Seelenkräfte vor.
eine allgemeine Norm aufstellen zu können, müßten wir vielfache
Beobachtungen besitzen, dergleichen Dietrich Tiedemann (Nr. 432.
II. S. 313 bis 331. 486 bis 502) und Schwarz (Nr. 441.
III. S. 313 bis 341) geliefert haben, und von welchen die erstere
um so mehr Interesse hat, da der Gegenstand derselben der um die nic
Physiologie verdiente Friedrich Tiedemann ist. Indessen glau
ben wir, daß folgende ungefähre Bestimmungen dem Normaltypus t
entsprechen. In den ersten vier Wochen herrscht die niedere Re=9
ceptivität, nämlich Gemeingefühl und leibliches Bedürfniß; das,
Saugen ist die einzige, auf einen bestimmten Zweck gerichtete und
denselben erreichende, freie Bewegung, die übrige Muskelthätigkeitnis
ist mehr ein willenloses, mindestens zweckloses Strecken, Beugemms
und Zappeln. Im zweiten Mondsmonate tritt eine höhere Recepti
vität auf: die Sinne nehmen bestimmtere Eindrücke auf, und dienic
Seele schafft die ersten Bilder der Außenwelt; es erwacht Wohl
gefallen an einzelnen Gegenständen, und in dessen Folge die Begeh
rung, die sich wiederum in der Bewegung spiegelt; es wird auffu
solche Weise lichter, die Empfindung wird zu sinnlicher Vorstellung, or
das Lebensgefühl zur Lust an fremdem Daseyn, und die Bewegungpt