Full text: Denon, Vivant: Reisen durch Ober- und Unter-Aegypten während Bonaparte's Feldzügen

ad 
mit dem sie angelegt und ausgeführt, das ganze Ver 
dienst war. 
Bey den Egyptern war alles symbolisch, und je 
der Fries, jede Kornische und sonstige Verzierung ei 
nes Gebäudes gab irgend eine Lehre, erzählte eine Ge 
schichte, bot Stoff zum Nachdenken. Bedeutungslos 
war nichts bey ihnen. Ich fand zu Tintyra Vorstel 
lungen des Peristils, des Tempels wieder, wie sie ge 
mahlt in den Bädern des Titus ausgeführt, und von 
Raphael nachgezeichnet sind, und die wir täglich in un 
sern Zimmern erblicken, ohne zu ahnden, daß uns die 
Egyptier die ersten Modelle dazu lieferten. 
Die Reißfeder in der Hand, irrte ich von einem 
Gegenstand zum andern, diesem wieder durch das Jn 
terresse des dritten entrissen. Jmmer angezogen, im 
mer vom Gefühl neuer Schönheiten ergriffen, fehlten 
mir Augen, Hände und ein umfassender Kopf zu se 
hen, zu entwerfen, und in einer gewissen Ordnung 
alles aufzubewahren, dem Gedächtnisse zu vertrauen, 
was mich so allgewaltig gerührt, entzückt hatte. Ich 
schämte mich der ärmlichen Zeichnungen, der magern 
Entwürfe, die ich von diesen erhabnen Gegenständen 
gemacht hatte. Aber ich wollte nur bloße Erinnerun 
gen der Eindrücke, die ich an dieser schauerlich=ehr 
würdigen Stätte erhielt, niederschreiben, mit einzel 
nen Strichen die Grundlinien andeuten, woraus in der 
Folge meine Phantasie das herrliche Gebäude ausfüh 
ren sollte. Ich fürchtete: Tintyra möchte für immer mei 
nen Blicken entrückt werden, und mein Verdruß hielt 
bey diesem Gedanken meinem Vergnügen die Waage. 
Die Sonne vergoldete eben die Ruinen mit ihren 
letzten Abschiedsstrahlen, und erinnerte mich an meine 
Einsamkeit an einem unsichern Orte, als ich aus ei 
ner kleinen Halle trat, in der ich ein Planisphärium
	        
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