3 —
B. Der Realcontract im heutigen Rechte.
§ 2.
Begriff und Existenz. Status controversiae.
Der Angelpunkt des Streites über die heutige Bedeutung
des Realcontracts ist die Frage, ob nach heutigem Rechte die
Leistung (in der Regel Sachleistung) Formerforderniß?) eines
Vertrages sein kann.
Es gibt zweierlei Formerfordernisse, solche, deren Fehlen
ein Geschäft vernichtet, und solche, deren Fehlen blos sein
Wesen alterirt, Erfordernisse der Gültigkeit, der Existenz (Testa
ment), und Erfordernisse der Qualität (Wechsel).
in der Streitfrage über das Formerforderniß des
„re contrahere“ wurde das Wort häufig nur in der ersten
Bedeutung als Gültigkeitserforderniß genommen. Wer dieß
thut, muß natürlich die Existenz des Realcontracts eben so ge
wiß für das heutige Recht verneinen, als für das röm. Recht
bejahen! Diese Entscheidung geben denn auch Thöl, 1. c.
Nr. IV. Bruns, (Holtzendorffs Encyclop. (1882) I. Bd. I.
§ 56). Stobbe, l. c. Koeppen (D. J. XI. 352) und
im Wesentlichen Demelius (l. c.), für den die Frage nur
mehr eine terminologische ist. Alle diese Schriftsteller haben
auf die falsche Frage die richtige Antwort.
Diejenigen, welche richtig heute in der res ein Qualitäts
erforderniß gewisser Verträge sehen, trachten meistens, diesen
Umstand, nicht wie das röm. Recht auf positive Vorschrift oder
Parteiwillen, sondern auf Naturnothwendigkeit zurückzuführen,
2) Brinz, 1. c. betont, daß die Realleistung auch bei den Römern
nie die Bedeutung hatte wie die Form bei den eigentlichen Formalcontracten.
Die Aehnlichkeiten beider Verhältnisse werden jedoch von Brinz unter
schätzt, oder vielmehr nicht bemerkt, soviel Treffendes auch seine Ausführungen
enthalten (s. unten).