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Daß aber der Darlehensnehmer nie daran gedacht haben
muß, mit dem creditunwürdigen, wortbrüchigen Darlehens
geber einen Lieferungsvertrag zu schließen, daß er sich ver
nünftigerweise die Papiere anderwärts ausborgen wird und
den Darlehnsgeber auf Schadenersatz belangen wird, etwa wegen
des höheren Leihgeldes, welches der neue Darlehensgeber
verlangt, liegt so sehr auf der Hand, daß es eigentlich ver
wunderlich ist, daß man es zweimal sagen muß. (S. Note 23.)
Zu dieser vernünftigen und in der Börsenpraxis selbst
verständlich üblichen Behandlung ist aber durchaus erforderlich
einzusehen, daß das Darlehen ein Realcontract ist, und daß
bei einem solchen vor der Realleistung zwar die Verpflichtung
zu dieser, nicht die Verpflichtungen aus dieser, d. h. aus dem
Realcontract, also auch nicht die Verpflichtung auf Rückleistung
bestehen kann.
§ 4.
Legislativ=technische und politische Fragen.
Sub a und b haben wir im vorigen Abschnitt die noth
wendigen und wirklichen?*) Eigenschaften des Realcontracts
erörtert.
27) Eine andere Eigenthümlichkeit behauptet für die Verträge auf
Rückleistung Kohler, Arch. f. brgl. R. Bd. II. p. 231 fg., nämlich,
daß bei mora accipiendi dessen, der zuerst die Leistung, z. B. bestimmte
20 Flaschen Wein z. B. als Darlehen ins Eigenthum empfangen soll,
die Gefahr nicht übergehe. Kohler meint nun, daß diese Eigenthüm
lichkeit sich auch bei Annahme eines Consensualdarlehns erklären lasse.
Meiner Ansicht nach ist gerade diese Eigenthümlichkeit gar nicht vor
handen, und liegt hier nur eine selbstgeschaffene Schwierigkeit vor.
Der säumige Darlehensempfänger haftet für die Gefahr der zu
übernehmenden Sache, wie für jeden anderen Schaden, der den zur Real
leistung Verpflichteten wegen seiner Säumniß trifft. Auch finde ich diese
Consequenz, welcher die von Kohler angeführten französischen Schrift
steller eben durch die Behandlung des Darlehens als Realcontract zu ent
gehen trachten und vermeinen, ganz angemessen, wofern nur wirklich mora