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Gesetz dießfalls keine besondere Verfügung getroffen hat, durchgängig
nach dem neuen Gesetze beurtheilt werden. Es dürfte daher z. B.
eine einverständliche Scheidung (wenn nicht die Voraussetzung
des §. 206 des kirchl. Ehegesetzes S. 92), eintritt, nicht mehr als
statthaft erscheinen, ungeachtet sie nach den, bei der Eingehung dieser
Ehe bestandenen Gesetzen sich als zulässig darstellte*).
Fassen wir am Schlusse mit wenigen Worten die Tendenz des
neuen Gesetzes in's Auge, so dürfte dieselbe unverkennbar dahin
gehen, der ehelichen Verbindung ihre hohe sittliche Würde, so
wie die religiöse Weihe, welche sie durch die Sacraments
Eigenschaft erlangt, im vollsten Umfange zu wahren. Da die
Ehe ihrem Wesen nach ein kirchliches Institut ist, so soll auch der
Kirche die Entscheidung über alle Fragen, welche sowohl die Schlie
ßung als die Lösung des ehelichen Bandes betreffen, überantwortet
werden, ohne daß deßhalb die bürgerliche Gesetzgebung in ihrem
Rechte beeinträchtigt würde, Alles, was die bloß bürgerlichen Rechts
wirkungen der Ehe betrifft, vor das Forum des weltlichen Richters
zu ziehen. Endlich soll auf eine möglichst friedliche Ausgleichung
aller unter Ehegatten entstehenden Streitigkeiten hingewirkt, dort
aber, wo höhere Rücksichten ein strenges Einschreiten erheischen,
durch alle, der menschlichen Einsicht zu Gebote stehenden Mittel, die
Wahrheit erforscht, und auf der also gewonnenen Grundlage vor
gegangen werden.
*) In gleicher Weise hatten auch die schon oben angeführten Patente v.
20. April 1815 und v. 23. März 1852 angeordnet, daß alle künftig vorkom
menden Fälle, in welchen es sich um Trennung der Ehe oder um Scheidung
von Tisch und Bett handelt, die Ehe möge unter was immer für einer
Gesetzgebung geschlossen worden sein, nur nach den im allg. b. G. B.
enthaltenen Vorschriften zu entscheiden seien.
Druck von Friedrich Manz in Wien.
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