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Erster Abschnitt.
Raine sind nur Merkmale der Grenze, sie führen nur zur
Ermittelung der eigentlichen Grenzlinie, und wenn ein Rain zwei
Feldstücke trennt, hat jeder Grenznachbar das Recht, die eigent
liche Grenzlinie nachzuweisen, und den Rain bis zu der nachgewie
senen Grenzlinie als einen Theil seines Grundstücks in Anspruch
zu nehmen.
Kann ein solcher Beweis nicht geführt werden; so wird die
Mitte des Rains für die eigentliche Grenzlinie erachtet *).
Es läßt sich somit durch Beweis oder durch den so eben er
wähnten Grundsatz immer ermitteln, wie weit ein Rain zu jedem
der angrenzenden Grundskücke gehört.
§. 9.
Einschränkung des Eigenthums.
In sofern Raine Merkmale der Grenze sind, liegt es im
Interesse der Grenznachbarn, daß der Rain einseitig nicht verän
dert, nicht geschmälert, sondern als Merkmal der Grenze erhalten
wird.
Als Eigenthümer würde jeder Grenznachbar über seinen An
theil am Rain bis zu der nach §. 8. zu ermittelnden Grenzlinie
frei verfügen, und denselben ohne Genehmigung des Nachbars ab
pflügen oder abgraben können.
Im Interesse des Nachbars sollen aber Raine als Merkmale
der Grenzen erhalten werden, und deshalb ist durch eine gesetzliche
Einschränkung des Eigenthums bestimmt: daß, wie beim gemein
schaftlichen Eigenthume, ein Grenznachbar ohne Genehmigung des
Andern über seinen Antheil am Raine nicht verfügen, denselben
nicht verändern oder schmälern darf 2).
*) §. 366. Tit. 17. Th. I. des A. L. R.
2) Die Worte des §. 118. Tit. 8. Th. I. des A. L. N.
die Raine oder sogenannte Pflugrechte, zwischen benachbarten Grund
stücken, werden in der Regel als gemeinschaftliches Eigenthum an
gesehen,
veranlassen gewöhnlich die Annahme, als habe diese Bestimmung eine
Vermuthung für ein gemeinschaftliches Eigenthum der Grenznachbarn
am Raine aufstellen sollen. Das Interesse des Nachbars erfordert aber
nichts weiter, als daß der Andere einseitig den Rain nicht verändern
darf. Wollte man die Grundsätze vom gemeinschaftlichen Eigenthume