Full text: Bozi, Alfred: ¬Die Angriffe gegen den Richterstand

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Richterlaufbahn in Folge ihrer ungünstigen Aussichten von 
den gebildeten Ständen vielfach gemieden wird. 
§ 7. 
Ein weiterer Umstand, unter dem namentlich die Straf 
rechtspflege bedenklich leidet, ist das hohe Lebensalter 
mancher Kammervorsitzenden. Die durch § 8 des Gerichts 
verfassungsgesetzes gewährleistete Unabsetzbarkeit der Richter 
bildet eine wesentliche Garantie für die Unabhängigkeit des 
Richterspruchs. Ihre Kehrseite liegt aber darin, daß Richter 
im Amte verbleiben, die, wenngleich sie nicht gerade zur Er 
füllung ihrer Amtspflichten dauernd unfähig sind, so daß in 
Gemäßheit § 56 Ges. vom 7. Mai 1851 ihre unfreiwillige 
Versetzung in den Ruhestand erfolgen kann, doch die zur 
Leitung einer Verhandlung erforderlichen körperlichen und 
geistigen Eigenschaften verloren haben. Sind solche Richter 
Direktoren, so muß ihnen der Vorsitz in einer Kammer über 
tragen werden. Wählte man dazu stets eine Civilkammer, 
so würde der angerichtete Schaden ein geringerer sein, weil 
die rechtsgelehrten Parteien zur selbständigen Wahrnehmung 
ihrer Rechte im Stande sind. Aus der Herbeischaffung von 
der Ver 
Beweismitteln — § 220 R.=Strf.=Prz.=Ordg. 
§ 237 
nehmung des Angeklagten, der Beweisaufnahme 
§ 177 
a. a. O. — der Wahrnehmung der Sitzungspolizei 
Ger.=Verf.=Ges. 
überhaupt der Leitung der Verhandlung 
erwächst aber dem Strafkammervorsitzenden die Aufgabe 
eigener Initiative. 
Er hat namentlich Sorge zu tragen, 
daß die zur Entlastung des Angeklagten dienlichen Momente 
zum Gegenstande der Verhandlung gemacht werden. Die 
mit dem Akteninhalt nicht bekannten Beisitzer sind nicht in 
der Lage die Vollständigkeit der Verhandlung zu kontroliren. 
So bleibt es nicht aus, daß wesentliche Momente übersehen 
werden, die aus den Akten ersichtlich waren, die aber der 
Angeklagte aus Rechtsunkenntniß nicht vorträgt. 
Nicht zum geringsten trifft endlich die Gerichtsvor 
sitzenden, die Präsidenten, die Verantwortung für die ab 
fälligen Urtheile, die über den Richterstand gefällt werden. 
Statt daß diese sich, wie es in der Verwaltung geschieht, 
mit ihren Richtern gesellschaftlich identifiziren, findet man 
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