A. Einleitung. 
§ 1. 
Vorbemerkungen. 
Bei der Neuordnung des bürgerlichen Rechts im Deutschen Reiche 
ist eine einheitliche Regelung des Gesinderechts nicht erfolgt; man hielt 
sie für unzweckmäßig, ja unmöglich. Als Grund wurde angegeben, daß 
die maßgebenden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den einzelnen 
Teilen Deutschlands, vielfach sogar in den einzelnen Teilen desselben 
Staates, so mannigfaltig seien, daß sie der einheitlichen Regelung sich 
entzögen.") Demgemäß sind durch Art. 95 EG. z. BGB. die Vorschriften, 
welche dem Gefinderecht angehören, im allgemeinen aufrechterhalten worden. 
Dieser Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgebung ist ein prinzipiell all 
gemeiner,*)*) in der Weise, daß die Landesgesetzgebung auch weiterhin 
in den Schranken des Art. 95 — zur selbständigen Gesetzgebung befugt 
ist. Ergänzend greift jedoch auch hier an Stelle des aufgehobenen Landes 
rechts das Bürgerliche Gesetzbuch ein (Art. 4 EG. z. BGB.), 
Aber auch innerhalb Preußens entbehrt das Gefinderecht der ein 
heitlichen Regelung; das Bedürfnis nach Ausgleichung der obwaltenden 
Verschiedenheiten wurde bei Beratung des Ausführungsgesetzes nicht 
für 
so dringlich erachtet, daß es geboten erschiene, die kurz bemessene Zeit 
bis 
zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches mit einer Aufgabe 
zu 
belasten, welche, wie es hieß, „nur unter sorgfältiger Berücksichtigung 
der 
in den einzelnen Landesteilen bestehenden besonderen Verhältnisse und An 
schauungen befriedigend gelöst werden könne"." 
Indessen auch nach dem 
Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ist bisher auf diesem Gebiete 
nichts geschehen, so daß die bestehenden 19 Gefindeordnungen) weiterhin 
ihre Gültigkeit haben; gewiß ein unerfreulicher Rechtszustand, der zur 
*) Mot. z. EG. S. 166. 
* Planck, EG. S. 210. 
Trotz seiner Stellung im EG., wo die allgemeinen Vorbehalte in den 
Art. 59 
76, die spezielleren nach der Anordnung des BGB. in den folgenden 
Artikeln 
geordnet sind. 
Materialien des preuß. Ausführungsgesetzes S. 77. 
*) Abgedruckt bei Gerhard, Gesindeordnungen I S. 13 ff.