Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

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Anspruch geltend, daß ihre Haftung durch ein Verschulden des Gesindes 
ausgeschlossen sei, so hat sie dieses natürlich zu beweisen.") 
§ 13. 
II. Erkrankung vor Antritt des Dienstes. 
Bisher war davon ausgegangen, daß die Erkrankung des Gefindes 
erst nach dem Dienstantritt erfolgt war. Erkrankt das Gefinde bereits 
vorher, so sind verschiedene Fälle möglich. War die Krankheit schon bei 
Abschluß des Gefindedienstvertrages vorhanden und hat der Dienstbote 
hiervon der Herrschaft keine Mitteilung gemacht, so kann die Herrschaft, 
sobald sie von der Krankheit Kenntnis bekommt, den Vertrag je nach den 
Umständen entweder unverzüglich wegen Irrtums anfechten, wenn 
die Arbeitskraft des Gefindes durch die Krankheit derart beeinträchtigt 
wird, daß die Herrschaft bei Kenntnis dieser Sachlage und bei verständiger 
Würdigung des Falles den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, oder wegen 
arglistiger Täuschung 
innerhalb eines Jahres nach Entdeckung der 
Täuschung." 
Zur Fürsorge 
für das Gesinde ist die Herrschaft keinesfalls, 
auch wenn sie den Vertrag 
bestehen läßt, verpflichtet.3 
Tritt die Erkrankung 
zwar nach Abschluß des Vertrages aber vor 
Antritt des Dienstes ein, 
so braucht die Herrschaft gleichfalls nicht für 
das Gesinde zu sorgen; sie 
hat ihm aber, wenn die Krankheit ohne Ver 
schulden des Gefindes eingetreten ist, vom Beginne der Dienstzeit an den 
vereinbarten Lohn auszubezahlen, sofern die Erkrankung während der 
Dienstzeit verhältnismäßig nicht lange gedauert hat (§ 616 BGB).*) 
Unter Umständen, namentlich bei chronischen Krankheiten, wird es 
schwierig zu entscheiden sein, ob die Erkrankung vor oder nach dem 
Dienstantritte erfolgt ist. Bestand vorher nur eine Disposition zur Krank 
heit und tritt letztere später wirklich ein, so greift die Fürsorgepflicht der 
Herrschaft Platz.3) Tritt, was z. B. bei der Lungenschwindsucht des 
öfteren in Frage kommen wird, nach dem Dienstantritte ein Rückfall in 
eine bereits früher vorhanden gewesene Krankheit ein, so wird bei Ent 
scheidung der Frage, ob dieser Rückfall als eine neue Erkrankung oder 
eine akute Erscheinung der noch bestehenden Krankheit anzusehen ist, in 
der Regel der Umstand maßgebend sein, ob die Krankheit in der Zwischen 
zeit 
für den Kranken fühlbar gewesen ist oder nicht. In Zweifelsfällen 
muß 
der Arzt entscheiden. 
*) Planck II S. 357,4 e. 
vgl. Nußbaum S. 45. 
So die herrschende Meinung, insbesondere Planck II S. 357,4d; v. Stau 
dinger, Komm. IIb S. 413, IV, la; a. A. Oertmann, Recht der Schuldver 
S. 607, 2 d. 
hältnisse 
Nußbaum S. 45. Zu § 616 s. oben S. 20. 
5 Planck a. a. O, JurW. 1905 S. 134; Schultzenstein S. 274.
	        
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