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Anspruch geltend, daß ihre Haftung durch ein Verschulden des Gesindes
ausgeschlossen sei, so hat sie dieses natürlich zu beweisen.")
§ 13.
II. Erkrankung vor Antritt des Dienstes.
Bisher war davon ausgegangen, daß die Erkrankung des Gefindes
erst nach dem Dienstantritt erfolgt war. Erkrankt das Gefinde bereits
vorher, so sind verschiedene Fälle möglich. War die Krankheit schon bei
Abschluß des Gefindedienstvertrages vorhanden und hat der Dienstbote
hiervon der Herrschaft keine Mitteilung gemacht, so kann die Herrschaft,
sobald sie von der Krankheit Kenntnis bekommt, den Vertrag je nach den
Umständen entweder unverzüglich wegen Irrtums anfechten, wenn
die Arbeitskraft des Gefindes durch die Krankheit derart beeinträchtigt
wird, daß die Herrschaft bei Kenntnis dieser Sachlage und bei verständiger
Würdigung des Falles den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, oder wegen
arglistiger Täuschung
innerhalb eines Jahres nach Entdeckung der
Täuschung."
Zur Fürsorge
für das Gesinde ist die Herrschaft keinesfalls,
auch wenn sie den Vertrag
bestehen läßt, verpflichtet.3
Tritt die Erkrankung
zwar nach Abschluß des Vertrages aber vor
Antritt des Dienstes ein,
so braucht die Herrschaft gleichfalls nicht für
das Gesinde zu sorgen; sie
hat ihm aber, wenn die Krankheit ohne Ver
schulden des Gefindes eingetreten ist, vom Beginne der Dienstzeit an den
vereinbarten Lohn auszubezahlen, sofern die Erkrankung während der
Dienstzeit verhältnismäßig nicht lange gedauert hat (§ 616 BGB).*)
Unter Umständen, namentlich bei chronischen Krankheiten, wird es
schwierig zu entscheiden sein, ob die Erkrankung vor oder nach dem
Dienstantritte erfolgt ist. Bestand vorher nur eine Disposition zur Krank
heit und tritt letztere später wirklich ein, so greift die Fürsorgepflicht der
Herrschaft Platz.3) Tritt, was z. B. bei der Lungenschwindsucht des
öfteren in Frage kommen wird, nach dem Dienstantritte ein Rückfall in
eine bereits früher vorhanden gewesene Krankheit ein, so wird bei Ent
scheidung der Frage, ob dieser Rückfall als eine neue Erkrankung oder
eine akute Erscheinung der noch bestehenden Krankheit anzusehen ist, in
der Regel der Umstand maßgebend sein, ob die Krankheit in der Zwischen
zeit
für den Kranken fühlbar gewesen ist oder nicht. In Zweifelsfällen
muß
der Arzt entscheiden.
*) Planck II S. 357,4 e.
vgl. Nußbaum S. 45.
So die herrschende Meinung, insbesondere Planck II S. 357,4d; v. Stau
dinger, Komm. IIb S. 413, IV, la; a. A. Oertmann, Recht der Schuldver
S. 607, 2 d.
hältnisse
Nußbaum S. 45. Zu § 616 s. oben S. 20.
5 Planck a. a. O, JurW. 1905 S. 134; Schultzenstein S. 274.