Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

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Härte" übergeht — z. B. durch außerordentliche Beschränkung der Er 
ist 
holungszeit oder durch Gewährung einer erbärmlichen Schlafstätte 
dieses Recht durch § 137 Geso. gewährt. Infolge dieser Beschränkung 
des vorzeitigen Kündigungsrechts wird die wohlmeinende Absicht, welche 
den Gesetzgeber bei Ausdehnung der Schutzvorschrift des § 618 auf das 
Gefinde leitete, sich im Rechtsleben nur zum geringen Teile verwirklichen." 
Denn das Recht zum sofortigen Verlassen des Dienstes bei drohender 
Gefährdung der Gesundheit ist für das Gefinde doch ungleich wertvoller 
als ein Recht auf Schadensersatz, wenn die Gesundheit erst geopfert ist. 
Ferner setzt die sofortige Kündigung lediglich den Nachweis der im § 618 
begründeten Pflichten voraus, während nach erlittenem Schaden außerdem 
noch die Verursachung der Beschädigung durch diese Vernachlässigung 
nachgewiesen werden muß, was häufig nur mit großen Schwierigkeiten 
möglich sein wird." 
§ 12. 
3. Beweislast. 
Will ein Dritter, 
insbesondere der Dienstbote selbst, die Herrschaft 
wegen ihrer Fürsorgepflicht im Rechtswege*) in Anspruch nehmen, so hat 
er die Tatsachen, welche die Haftung der Herrschaft begründen sollen, zu 
beweisen. Die entgegengesetzte Ansicht Jacobys,*) daß die Klage all 
gemein durch die Darlegung, daß die Krankheit während des Dienstver 
hältnisses entstanden, genügend begründet sei, wird in der Praxis kaum 
durchführbar sein. Sie würde zur Folge haben, daß die Herrschaft das 
Nichtvorhandensein sämtlicher Voraussetzungen der Fürsorgepflicht beweisen 
müßte; wenn sie dargelegt hätte, daß die Krankheit nicht durch den Dienst 
erfolgt sei, hätte sie den Einwand zu gewärtigen, sie sei während der 
Dienstzeit entstanden; hätte die Herrschaft dann nachgewiesen, daß sich der 
Dienstbote die Krankheit durch sein grobes Verschulden zugezogen habe 
so könnte ihr entgegnet werden, daß der Dienstbote keine Verwandte habe. 
Die Widerlegung dieses letzteren Einwandes würde der Herrschaft 
fast 
immer einfach unmöglich sein. Es erscheint darnach nicht angängig, 
der 
Herrschaft neben der schon schweren Fürsorgepflicht auch noch eine solch 
schwierige Beweislast aufzubürden.*) Macht die Herrschaft gegen den 
Seyffarth S. 52; vgl. hierzu besonders Fuld im Arch. f. öffentl. R. 
Bd. 14 
Das bürgerliche Recht und das Gesinderecht S. 102. 
Seyffarth a. a. O. 
*) Das Gesinde muß seine Ansprüche im Wege der Klage vor den ordentlichen 
Gerichten geltend machen. Die Polizei kann zwar auf Antrag eines Teiles ver 
mitteln, hat aber kein Entscheidungs- und Zwangsrecht (Zürn S. 75). 
S. 144 f. 
) Wie hier auch Rehbein IV,714; vgl. auch Lindenberg S. 86.
	        
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