Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

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würde als das durch den Dienst mit eigener Schuld erkrankte, eine 
Unterscheidung, die der Gesetzgeber zweifellos nicht beabsichtigt habe. 
2. Im Bürgerlichen Gesetzbuche wird die Fürsorgepflicht 
durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit') des Gefindes ausgeschlossen, im 
Falle der leichten Fahrlässigkeit dagegen nicht. 
Ist demnach im Falle des § 86 eine Krankheit durch leichte Fahr 
lässigkeit vom Gesinde verschuldet, so hat die Herrschaft für Kur und 
Verpflegung zu sorgen. Der Anspruch hierauf ist nach dem Bürgerlichen 
Gesetzbuch aber nur für 6 Wochen begründet. Mit deren Ablauf oder 
der früheren Beendigung der Dienstzeit hört somit auch im Falle der 
leichten Fahrlässigkeit die Fürsorgepflicht der Herrschaft auf. 
Nicht anders ist die Rechtslage im Falle der §§ 88 und 89 für 
die ersten 6 Wochen. Hier gilt das Bürgerliche Gesetzbuch, weil es das 
Gesinde insofern günstiger stellt, als Regreßansprüche der Herrschaft ausge 
schlossen sind. 
Für die 6 Wochen übersteigende Krankheitszeit aber, sowie bei Vorsatz 
oder grober Fahrlässigkeit von Beginn der Krankheit an, tritt die Für 
sorgepflicht nach §§ 88 und 89 in dem früher geschilderten Umfange ein. 
§ 8. 
Der Dienstlohn während der Krankheit. 
Der Dienstlohn ist bei dem Gefindedienstvertrage, soweit nicht etwas 
anderes vereinbart ist, erst nach der Leistung der Dienste zu entrichten. 
Dieser im BGB. (§ 614) ausdrücklich ausgesprochene Satz hatte auch 
schon für den Gesindedienstvertrag allgemeine Anerkennung gefunden.* 
Der Dienstbote ist danach zur Vorleistung verpflichtet und hat nach den 
allgemeinen Bestimmungen über gegenseitige Verträge nur dann einen 
Anspruch auf Lohn, wenn er die Dienste wirklich leistet. Von dieser 
Regel sind jedoch sowohl nach der Gesindeordnung als nach dem Bürgerlichen 
Gesetzbuche — zum Schutze des wirtschaftlich Schwächeren 
mehrfach 
abweichende Bestimmungen getroffen. — Vor deren Erörterung sei darauf 
hingewiesen, daß etwaige Ansprüche des Gefindes gegen eine Versicherung 
auf Krankengeld aus einer selbst genommenen Versicherung die Pflichten 
der Herrschaft nicht berühren, da dieses eine Fürsorge ist, die sich das 
Gefinde aus eigener Initiative verschafft hat. 
„Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer 
acht läßt" (§ 276). Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist im Gesetze nicht 
definiert. Es wird also im einzelnen Falle zu entscheiden sein, ob die Verletzung 
der Sorgfalt besonders schwer erscheint. Dies wird stets der Fall sein bei Er 
krankungen infolge unsittlicher Exzesse, Alkoholmißbrauch, Raufhandel (Kuhlen 
beck I zu § 617, 6 S. 501). 
* vgl. Lindenberg 5. Aufl. S. 91. 
*) Gerhard I S. 124: s. unten S. 31.
	        
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