Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

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§ 6. 
Dauer der Fürsorgepflicht. 
1. Nach § 92 der Gesindeordnung endigt die Fürsorgepflicht 
mit Ablauf der Dienstzeit. Nach der Fassung dieser Bestimmung („eine 
solche Krankheit") könnte es zweifelhaft erscheinen, ob sie sich etwa nur 
auf den im vorhergehenden Paragraph erwähnten Fall des § 88 beziehen 
sollte. Allein es besteht in Wissenschaft und Praxis') die feste Meinung, 
daß auch die Fälle des § 86 mit umfaßt werden. Der § 92 sollte 
lediglich den Gegensatz bilden zu den §§ 94 und 95, wo ausdrücklich 
als Ausnahme die Fortdauer der Fürsorgepflicht — und auch nur in 
beschränktem Maßstabe — über die Dienstzeit hinaus angeordnet ist. 
Nun spricht die Gesindeordnung allerdings nur von dem Aufhören 
der äußeren Verbindlichkeit zur Fürsorge, im Gegensatz zu der inneren, 
moralischen Pflicht, eine Unterscheidung, welche dem Bürgerlichen Gesetz 
buch unbekannt ist, heute aber auch noch die für das Gefinde günstige 
Bedeutung hat, daß die Auffassung von der freiwilligen Fürsorge als 
einer sittlichen Pflicht die Rückforderung des zum Zwecke dieser Ver 
bindlichkeit Geleisteten, soweit nichts anderes vereinbart ist, ausschließt 
(§ 814 BGB.). 
Das Dienstverhältnis kann nur durch Kündigung beendigt werden. 
Andernfalls gilt der Vertrag als stillschweigend verlängert, selbst wenn 
er auf eine bestimmte Zeit geschlossen ist (§§ 111, 114 Geso.). Will 
die Herrschaft daher nicht über die verabredete Dienstzeit hinaus für das 
kranke Gesinde sorgen, so kann sie dieses nur durch Kündigung unter 
Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen*) erreichen. 
2. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche ist die Verpflegung 
und ärztliche Behandlung nur bis zum Ablaufe von 6 Wochen zu ge 
währen, oder wenn die Dienstzeit früher abläuft, bis zu diesem früheren 
Zeitpunkte. Wird das Dienstverhältnis gemäß § 626*) gekündigt, so 
endigt die Fürsorgepflicht gleichwohl nicht vor Ablauf von 6 Wochen oder 
der früheren Beendigung der Dienstzeit. Wird aber unter Einhaltung 
der gesetzlichen*) oder vertragsmäßigen Kündigungsfrist gekündigt und da 
durch die Dienstzeit vor Ablauf von 6 Wochen beendigt, so hört die 
Pflicht zur Fürsorge auch mit der auf diese Weise beendigten Dienstzeit 
auf. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat mit seiner Bestimmung offenbar 
nur den Fall im Auge, wo infolge der Krankheit das Dienstverhältnis 
*) vgl. Dernburg, Preuß. PrivR. II S. 573 Anm. 22; Jacoby S. 153; 
Seyffarth S. 50; OTr. Bd. 46 S. 228, Strieth. Arch. Bd. 94 S. 83. 
*) vgl. Nußbaum S. 50. 
Hierüber s. §§ 112 ff. Geso. 
4) § 626: Das Dienstverhältnis kann von jedem Teile ohne Einhaltung einer 
Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. 
) s. §§ 620 ff.
	        
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