- 10 —
§ 5.
Die Fälle der Fürsorgepflicht.
1. Die Gesindeordnung unterscheidet drei Fälle der Fürsorge
pflicht.
I. Als erster Fall kommt der in Betracht, daß die Krankheit
durch den Dienst oder bei Gelegenheit des Dienstes ent
standen ist (§ 86 GesO.). Von einer durch den Dienst entstandenen
Krankheit spricht man, wenn sie bei einer einzelnen dienstlichen Handlung
oder als deren unmittelbare Folge entstanden ist, von einer bei
Gelegenheit des Dienstes entstandenen, wenn sie zwar auch aus
einer dienstlichen Handlung entspringt, jedoch nur in Verbindung mit
einem anderen Ereignisse eingetreten ist.") Nicht für richtig halten möchte
ich die Unterscheidung Jacobys,2) welcher eine Erkrankung durch den
Dienst als gleichbedeutend mit: „durch das Dienstverhältnis" betrachtet
und von einer Erkrankung
bei Gelegenheit des Dienstes spricht,
wenn die Erkrankung bei Ausübung einer einzelnen dienstlichen
Handlung zugezogen ist. Es erscheint dem Wortlaut und Sinn mehr
entsprechend, eine Erkrankung durch den Dienst als in unmittelbarem
Zusammenhange mit demselben, eine bei Gelegenheit des Dienstes als nur
im unmittelbaren Zusammenhange mit ihm stehend zu betrachten. Durch
den Dienst ist die Krankheit z. B. hervorgerufen, wenn jemand infolge
Überanstrengung bei einer Arbeit krank wird, oder einen Kranken zu
pflegen hat und hierdurch angesteckt wird;s) bei Gelegenheit des Dienstes
ist die Krankheit zugezogen z. B., wenn die Viehmagd auf dem Futterboden
durchbricht*) oder der auf dem Gutshofe arbeitende Knecht von einem
Bullen angefallen wird.“
Fehlt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Erkrankung und Dienst,
bricht z. B. das Dienstmädchen auf dem Tanzboden ein Bein, so kann
das Gefinde keine Ansprüche aus § 86 geltend machen. Dieser ursächliche
Zusammenhang entfällt insbesondere auch bei eigenem Verschulden
des Dienstboten: die Krankheit ist dann nicht auf den Dienst, sondern
auf das Verschulden als nächste Ursache zurückzuführen. Er fehlt ferner,
wenn die Krankheit bereits bei Beginn des Dienstes vorhanden
war. Diese beiden Fälle sind später gesondert zu behandeln.")
II. In den §§ 88 und 89 Geso. ist die Haftung der Herrschaft
von einem Kausalzusammenhange zwischen Krankheit und Dienst unabhängig.
Der § 88 zunächst setzt lediglich voraus, daß der Dienstbote sich während
*) Zürn S. 75.
*) S. 137.
Lindenberg S. 86.
Rehbein IV S. 713.
Zürn S. 75.
* S. 16 und 30.