Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

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§ 5. 
Die Fälle der Fürsorgepflicht. 
1. Die Gesindeordnung unterscheidet drei Fälle der Fürsorge 
pflicht. 
I. Als erster Fall kommt der in Betracht, daß die Krankheit 
durch den Dienst oder bei Gelegenheit des Dienstes ent 
standen ist (§ 86 GesO.). Von einer durch den Dienst entstandenen 
Krankheit spricht man, wenn sie bei einer einzelnen dienstlichen Handlung 
oder als deren unmittelbare Folge entstanden ist, von einer bei 
Gelegenheit des Dienstes entstandenen, wenn sie zwar auch aus 
einer dienstlichen Handlung entspringt, jedoch nur in Verbindung mit 
einem anderen Ereignisse eingetreten ist.") Nicht für richtig halten möchte 
ich die Unterscheidung Jacobys,2) welcher eine Erkrankung durch den 
Dienst als gleichbedeutend mit: „durch das Dienstverhältnis" betrachtet 
und von einer Erkrankung 
bei Gelegenheit des Dienstes spricht, 
wenn die Erkrankung bei Ausübung einer einzelnen dienstlichen 
Handlung zugezogen ist. Es erscheint dem Wortlaut und Sinn mehr 
entsprechend, eine Erkrankung durch den Dienst als in unmittelbarem 
Zusammenhange mit demselben, eine bei Gelegenheit des Dienstes als nur 
im unmittelbaren Zusammenhange mit ihm stehend zu betrachten. Durch 
den Dienst ist die Krankheit z. B. hervorgerufen, wenn jemand infolge 
Überanstrengung bei einer Arbeit krank wird, oder einen Kranken zu 
pflegen hat und hierdurch angesteckt wird;s) bei Gelegenheit des Dienstes 
ist die Krankheit zugezogen z. B., wenn die Viehmagd auf dem Futterboden 
durchbricht*) oder der auf dem Gutshofe arbeitende Knecht von einem 
Bullen angefallen wird.“ 
Fehlt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Erkrankung und Dienst, 
bricht z. B. das Dienstmädchen auf dem Tanzboden ein Bein, so kann 
das Gefinde keine Ansprüche aus § 86 geltend machen. Dieser ursächliche 
Zusammenhang entfällt insbesondere auch bei eigenem Verschulden 
des Dienstboten: die Krankheit ist dann nicht auf den Dienst, sondern 
auf das Verschulden als nächste Ursache zurückzuführen. Er fehlt ferner, 
wenn die Krankheit bereits bei Beginn des Dienstes vorhanden 
war. Diese beiden Fälle sind später gesondert zu behandeln.") 
II. In den §§ 88 und 89 Geso. ist die Haftung der Herrschaft 
von einem Kausalzusammenhange zwischen Krankheit und Dienst unabhängig. 
Der § 88 zunächst setzt lediglich voraus, daß der Dienstbote sich während 
*) Zürn S. 75. 
*) S. 137. 
Lindenberg S. 86. 
Rehbein IV S. 713. 
Zürn S. 75. 
* S. 16 und 30.
	        
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