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jetzigen Koalitions=Unarten durch allgemeine Interessen gerecht
fertigt.
Ich begrüße es mit besonderer Freude und Genugthuung, daß
Lilienthal in unzweideutiger Form den Charakter des Streiks, so, wie
er wirklich ist, charakterisirt hat.
Den Lesern der „Kreuz=Zeitung“ ist diese Auffassung der Natur des
Streiks eine bekannte. In Nr. 336 der „Kreuz=Zeitung" vom 20. Juli
habe ich in ausführlicher Form dieselbe Auffassung vertreten. [S. 16.]
Auch insofern befinde ich mich auf ähnlichem Boden wie Lilienthal
und Stenglein, als ich den jetzigen Gesetzentwurf für keine glückliche
Lösung des Problems halte. Das veranlaßte mich, in Nr. 336 und 337
der „Kreuz=Zeitung“ vom 20. und 21. Juli prinzipielle Gesichtspunkte
für einen neuen Gesetzentwurf zusammenzustellen, welche abweichend
von Lilienthal und in Uebereinstimmung mit Stenglein besondere
Strafbestimmungen für bestimmte Ausschreitungen verlangten, deren
Detaillirung, ähnlich wie es Stenglein thut, der Gesetzgebung selbst,
d. h. dem Bundesrath und dem Reichstag, überlassen gedacht war. [S. 18.
In Uebereinstimmung mit Stenglein endlich sah dieser Entwurf
positive Maßregeln gegen die Streiks vor, und zwar begegnete er
sich in zwei von den drei aufgestellten Forderungen mit den Vorschlägen
Stengleins, indem auch ich eine gesetzliche Organisation von Arbeit
gebern und Arbeitnehmern, welche unter Mitwirkung neu zu organisirender
Behörden zu fungieren haben würden, und die Regelung des Arbeits
nachweises forderte — und zwar etwas abweichend von Stenglein
eine Organisation des Arbeitsnachweises im Anschluß an Streiks
durch den Staat selbst. Zu diesen beiden Forderungen stellte ich dann
noch die dritte (bereits im Juli): daß denjenigen Arbeitervereinigungen,
welche sich unzweideutig als nicht sozialdemokratisch ausweisen, die
Rechtsfähigkeit und das Recht gewährt würde, sich durch das ganze
Reich in Zentralverbänden zu organisiren, sowie auch alle politischen
Verhältnisse in den Gegenstand ihrer Berathungen zu ziehen, Frauen
und Kinder zu ihnen zuzulassen.
In meinen Ausführungen vom 27. Oktober erwog ich die Möglich
keit, auf Grund der §§ 21 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Frage
der Rechtsfähigkeit solcher Vereine zu regeln.
II.
Aus den Worten Lilienthals: „Soziale Schäden heilt man nicht
mit Strafgesetzen“ folgere ich, daß er eventuell auch für eine positive
Gesetzgebung zur Regelung der Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern einzutreten geneigt sein würde.