Full text: Wenckstern, Adolph von: Arbeitsvertragsgesetzgebung

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Umgestaltung des Entwurfs erfolgen kann. Gegenüber Lilienthal stellt 
Stenglein die These auf: „Der Staat macht Bankerott, wenn er ein 
schreiendes Unrecht, wie es der Zwang gegen Arbeitswillige ist, duldet, 
ohne es nur durch eine klare Strafbestimmung als Unrecht zu erklären. 
Die natürliche Folge ist, daß auch die Arbeitswilligen in die Arme der 
Agitatoren getrieben werden, daß diese zu einer der staatlichen Ordnung 
Hohn sprechenden Macht emporwachsen. 
Während Lilienthal meint, daß der Entwurf praktisch eine Auf 
hebung des Koalitionsrechts bedeute, wehrt sich Stenglein energisch 
gegen diese Auffassung, indem er sagt: „Der Haupteinwand, der bisher 
gegen den Entwurf erhoben wurde, daß derselbe eine Beschränkung des 
Koalitionsrechtes enthalte, ist ein schwer verständlicher. Die schrankenlose 
Koalitionsfreiheit, die, einst zum Zwecke einer Verbesserung der Lage der 
Arbeiter gegeben, jetzt so weit geht, den 
Willen der Arbeitswilligen zu 
vergewaltigen, an die Stelle der Koalitionsfreiheit einen Koalitionszwang 
und den Kampf um die Macht zu setzen, einen Terrorismus, geübt durch 
die Minderheit gegen die Mehrheit, war nie gewährt worden. 
Endlich setzt Stenglein gegenüber dem Schlagwort Lilienthals: 
„Soziale Schäden heilt man nicht mit Strafgesetzen" positive Vor 
schläge: der Staat hat seiner Auffassung nach die Aufgabe, in die Kämpfe 
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch dazu geschaffene staatliche 
Organisationen einzugreifen: eine auf gesetzlicher Basis beruhende Or 
ganisation der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter Leitung der 
Staatsbehörden funktionirt, soll an die Stelle der jetzigen Agitation und 
Arbeitseinstellungen treten, bezüglich einen legalen Rahmen für ihren 
Verlauf schaffen, und zweitens soll der Arbeitsnachweis in die Hand 
dieser legalen Vertretung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelegt werden. 
Aber so stark ist Stenglein von der Gefahr der gegenwärtigen Zu 
stände überzeugt, daß er diesen „Zukunftsgedanken" gegenüber die 
Ausgestaltung der Strafgesetze als die aktuelle, die brennende Frage 
auffaßt und der Hoffnung 
Ausdruck giebt, daß es dem Reichstag gelingen 
wird, aus dem massenhaft gebotenen Material den Kern herauszuschälen 
und in Gesetzesform zu bringen. 
Im Mittelpunkt der ganzen Erörterung steht der Streik. Es ist 
lehrreich, die Auffassung des Streikes, die beide Juristen vertreten, zu 
beleuchten, und dann auf die verschiedenen Konsequenzen, welche sie 
aus derselben Prämisse ziehen, hinzuweisen. 
Lilienthal schreibt: „Der Streik ist ein wirthschaftlicher Kampf. 
Seine Bedeutung besteht natürlich nicht darin, daß bestimmte Arbeiter 
bei ihrem Arbeitgeber nicht mehr weiter arbeiten, sondern, daß während 
des Kampfes in dem oder den betreffenden Beirieben überhaupt nicht 
gearbeitet wird. Zuzug anderer Arbeiter fernzuhalten, ist aber das ein 
zige Mittel, das zu einem Siege der Arbeitnehmer führen kann. 
v. Wenckstern, Arbeitsvertragsgesetzgebung.
	        
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