Full text: Wenckstern, Adolph von: Arbeitsvertragsgesetzgebung

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Nein, Herr Professor Brentano, ich habe nicht suggerirt, daß Sie 
für die Sozialisirung der Arbeit eintreten. Ich habe lediglich darauf 
hingewiesen, daß Sie, coûte que coûte, eine die gesammte Arbeiterschaft 
Deutschlands umfassende Gewerkvereins=Organisation inauguriren wollen, 
von welcher Sie die Meinung haben, daß sie sich in den Rahmen der 
deutschen Entwickelung friedlich und förderlich einfügen wird, von der 
ich aber meine, daß sie unseren jetzigen Staat zu zersprengen und 
Deutschland zum Ruin im Innern, zum Unterliegen gegenüber den 
auswärtigen Mächten zu führen viel eher geeignet ist. Sie schätzen die 
Fähigkeit, den guten Willen, die Besonnenheit der sozialdemokratischen 
Arbeiter falsch und viel zu hoch ein, indem Sie glauben, daß sie durch 
Ihren Koalitionszwang zu Gliedern unserer bürgerlichen Gesellschaft 
und zu Förderern der Zukunft Deutschlands gemacht werden können. — 
Ich schätze sie richtig ein und schätze neben ihnen die gesammte deutsche 
Arbeiterschaft richtig ein, wenn ich gegenüber der Sozialdemokratie eine 
energische aktive Politik der Repression und für die gesammte Arbeiterschaft 
eine besondere Organisation unter Stärkung der Controle der zentralen 
Gewalten durch besondere hierfür zu schaffende Verwaltungsorgane 
empfehle. Ihre Vorschläge stärken die Einzelnen, nämlich nur die 
Arbeiter, — ich will die Arbeiter stärken, soweit sie allzu starken Unter 
nehmern gegenüberstehen, die Arbeitgeber stärken, wo sie allzu starken 
Arbeiterverbänden gegenüberstehen, und wo das Feuer brennt, gleich die 
Feuerspritze in der Gestalt der staatlichen Organe zur Hand haben 
also die zentrale Gewalt stärken zugleich mit der Stärkung der Glieder. 
Allerdings meine ich, daß die sozialdemokratischen Führer nach 
Bismarck'schen Rezepten mit scharfer Hand angefaßt werden müssen, und 
daß neben dieser Repression eine Organisation der nichtsozialdemokratischen 
Arbeiterschaft durch die Initiative des Staates eintreten soll. 
Ich hoffe, daß mit der Zeit ein solches Programm, das eine kon 
sequente Fortsetzung der bisherigen deutschen Sozialpolitik wäre, sich An 
erkennung und Existenz in Deutschland erringen wird. 
Ist der Gedanke denn wirklich so fernliegend, auch diese Seite des 
Arbeitsverhältnisses in der in den 80er und 90er Jahren angeschlagenen 
Weise zu regeln? 
Darin stimme ich mit Brentano überein, daß es einen freien Arbeits 
rtrag im Sinne des Smithianismus und der Epigonen der sogenannten 
klassischen Nationalökonomie nicht giebt. Gewisse Seiten des Arbeitsverhält 
nisses mußten deshalb geregelt werden durch staatliches Eingreifen in unsere 
Gewerbeordnung und im Anschluß daran durch unsere Arbeiterversicherung. 
Wenn der Staat es nicht für angezeigt gehalten hat, die Regelung 
dieser Seite des Arbeitsverhältnisses und seiner Konsequenzen dem freien 
Spiel der Kräfte, d. h. dem als Streit aufgefaßten Ringen der Arbeit 
geber und Arbeiter, zu überlassen, wenn er hier mit Gesetzeskraft und
	        
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