Full text: Wenckstern, Adolph von: Arbeitsvertragsgesetzgebung

22 
lichen Parteien die Faust in der Tasche ballen, aber vor jedem Sozial 
demokraten scherwenzeln, daß die Wissenschaft ein weltflüchtiges Wolken 
kuckucksheim baut, anstatt die rauhe Wirklichkeit ins Auge zu fassen, 
dann kommen wir in zehn Jahren zu denselben Zuständen, wie wir sie 
jetzt in Belgien erleben. 
Herr Singer ist durchaus die Persönlichkeit, die Rolle eines Vander 
velde bei uns zu spielen. 
Die bürgerlichen Parteien, die Regierung und auch die wirkliche 
deutsche Sozialwissenschaft sind sich darüber einig, daß die Theorie der 
Sozialdemokratie ein Trugschluß, eine sozialistische Wirthschaftsordnung 
eine Unmöglichkeit, eine genossenschaftliche Organisation der Zukunft ein 
Wahn ist. 
Sie sind sich darüber einig, daß die Methode der Sozialdemokratie, 
an unserer historischen Entwickelung und an ihren großen Prinzipien 
dadurch Kritik zu üben, daß sie auf die Sünden und Schwächen der 
Menschen, welche ihre Träger gewesen sind und sind, tagtäglich in denun 
ziatorischer Form hinweist, aufs äußerste gemein und verwerflich ist. 
Aber thatsächlich geschieht nichts gegen diese sozialdemoktratische 
Agitation von irgend welchem Belang und von irgend welchem Nachdruck. 
Mit der Zeit müssen die großen Massen, die nachgerade mit der soziali 
stischen Literatur überschwemmt werden, in ihrem Innern vollständig 
schwankend werden und den Rothen anheimfallen. 
Hier hilft nur eines: denjenigen Persönlichkeiten, den großen Massen, 
die heute noch auf dem Boden der Staats= und Gesellschaftsordnung 
stehen, vielleicht gerade im Begriff, zur Sozialdemokratie abzuschwenken, 
jetzt noch in letzter Stunde die Gelegenheit und den Anstoß zu kraftvollen 
Organisationen zu geben, neben denen dann die sozialdemokratischen in 
Bälde zur Bedeutungslosigkeit herabsinken würden. 
Was an zweiter Stelle der leitende Gesichtspunkt für die Zukunft 
sein muß: ebenso wie die Arbeiterversicherung schließlich vom Staat in 
die Hand genommen worden ist, muß der Interessengegensatz zwischen 
Unternehmer und Arbeiter, soweit er besteht, unter der Controle des 
Staates durch besonnene Organisation überbrückt werden. 
Unsere heutigen Liberalen des linken Flügels haben sich vollständig 
von dem Standpunkte, den Lasker und Bamberger im Anfang der 70er 
Jahre vertreten haben, abgewendet. Diesen „Liberalen" schien es etwas 
Ungeheuerliches, den sozialdemokratischen und selbst den fortschrittlichen 
Gewerkvereinen Rechtsfähigkeit zu verleihen. Sie hatten die klare Ein 
sicht, daß dies die Gründung eines Staates im Staate bedeute. Bam 
berger hat ganz besonders darauf hingewiesen, daß die Gewerkvereine 
damals beabsichtigten, eine Alters- und Invaliden=Versicherung für das 
ganze Reich durch ihre Organisation zu begründen, und hat auf die 
eminente Gefahr hingewiesen, daß durch diese gigantische Organisation
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer