§. 217.
1. Capitel. Von den Obligationen überhaupt.
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liche Hülfe anrufen. Zu einer vollgültigen Obligatio gehört daher, daß
sie klagbar sey, d. h. daß der Schuldner durch Klage (in personam actio,
§. 97.) zur Leistung angehalten werden könne"; was zunächst in der
Macht des Gläubigers liegt, ist eben dies, daß er gerichtlich fordern,
klagen kann. Daher wird obligatio und actio oft neben einander gestellt
oder die Actio anstatt der Obligatio genannt", und das Daseyn eines
rechten Schuldverhältnisses an die Möglichkeit einer wirksamen Klage ge
knüpft“. Bei einem gegenseitigen Schuldverhältniß (§. 212.) findet sich
dieses Klagrecht gleichmäßig auf beiden Seiten, entsprechend den gegen
seitigen Forderungen, welche für den einen und den andern Theil in
einem solchen Verhältniß begründet sind, während aus sogenannten
ungleich=zweiseitigen Schuldverhältnissen zunächst nur für den einen Theil,
wie eine Forderung, so eine Klage (directa actio) hervorgeht, für den
andern Theil aber durch Entstehung einer Gegenforderung auch eine
Gegenklage (contraria actio, §. 99.) sich ergeben kann.
Wie die Klagen, so werden auch die Obligationen eingetheilt in
civiles und honorariae“, je nachdem zu deren Geltendmachung civilis
oder honoraria actio gegeben ist'. Aber das römische Recht erkennt doch
auch in mancherlei Fällen, wo eine wirksame Klage zur Herbeiführung
einer Leistung versagt ist, gleichwohl eine Obligatio an, eine klaglose
Obligatio, die im Gegensatz gegen die beiden genannten Arten als natür
liche Verbindlichkeit2, naturalis obligatio, bezeichnet wird“, oder genauer
tantum naturalis obligatio', da ausnahmsweise auch auf klagbare Obli
gationen jene Bezeichnung angewendet wird“. In solchen Fällen fehlt
dann zwar dem Gläubiger die Macht, durch Klage den Schuldner zur
Leistung anzuhalten, er kann nicht gerichtlich fordern; aber es wird doch
anerkannt, daß dieser jenem rechtlich schuldig ist, natura debet", und
die geschehene Leistung erscheint als E
füllung einer Rechtsverbindlichkeit,
als Zahlung eines naturale debitum', nicht etwa als Schenkung3
daher“ ist die Rückforderung des Gezahlten ausgeschlossen, wo sie sonst
wegen Mangels einer Schuldverbindlichkeit statthaben könnte". Daß, wenn
« L. 108. D. de V. S. » Dig. de oblig. et actionibus. 44. 7. Cod. 4. 10. ° L. 10. D. de
V. S. L. 42. §. 1. D. h. t. cf. L. 16. §. 4. D. de fideiuss. 46. 1. L. 137. §. 4. D. de V. O.
45. 1. d §. 1. J. 1. c. L. 5. pr. D. de pign. 20. 1. L. 1. §. 1. D. de novat. 46. 2. L. 1. §. 24,
D. de exercit. act. 14. 1. L. 8. §. 4. D. de acceptilat. 46. 4. cf. L. 40. pr. D. ad Sc. Treb.
36. 1. ° L. 1. §. 1. cit. L. 16. §. 3. 4. D. de fideiuss. 46. 1. f L. 5. pr. D. de pign. « L. 126,
§. 2. D. de V. O. 45. 1. L. 5. pr. D. de auct. tut. 26. 8. cf. L. 84. §. 1. D. de R. J. * L. 6.
D. de compensat. 16. 2. L. 101. §. 1. D. de solut. 46. 3. L. 10. D. de V. S. L. 41. D. de cond.
indeb. 12. 6. cf. L. 5. §. 2. D. de solut. L. 26. §. 12. D. de cond. indeb. L. 95. §. 4. D. de
solut. L. 64. D. ibid. L. 1. §. 7. D. de pec. const. 13. 5. cf. L. 36. §. 2. Cod. de inoff. test. 3. 28.
L.. un. Cod. de impon. lucrat. descript. 10. 35. k L. 10. D. h. t. 44. 7. L. 16. §. 4. D. de
lideiuss. 46. 1. L. 13. 19. pr. L. 64. D. de cond. indeb. L. 94. §. 3. D. de solut.