Denn wie anderwärts das ängstliche Sichanklammern an
gewisse Aeuszerungen der Quellen ein mächtiges Bollwerk gegen
den Sieg einer freieren, der Natur der Sache und den konkreten
Entscheidungen der römischen Juristen entnommenen Anschau
ungsweise bildet,') — ebenso besteht diese Gefahr auch hier. So
unbefriedigend die herrschende Fassung jenes Begriffes ist, so
glaubt sie sich dennoch auf klare Quellenzeugnisse zu stützen, wie
denn auch einem neueren Versuche, diesen Begriff abweichend
von der herrschenden Lehre zu formuliren, sofort ein Ausspruch
von Ulpian 2) entgegengesetzt wurde.
Gleichwol können hier solche Rücksichten nicht in Be
tracht kommen; denn es handelt sich ja gerade darum, den Sinn
jener Quellensprache festzustellen, der nichts weniger als ausge
macht ist. Dann aber soll erst aus der Masse des konkreten
Rechtsstoffes das leitende Prinzip abstrahirt werden, da es sicher
ist, dasz das von der herrschenden Lehre vertretene mit vielen
Einzelentscheidungen der Quellen nicht in Einklang steht; es
stehen Prinzipienfragen auf dem Spiele, die sich durch das ganze
Rechtssystem hindurchziehen und auch in das Gebiet der prak
tischen Jurisprudenz nach allen Seiten ihre Kreise ziehen.
Daher soll im Folgenden zunächst die Geschichte dieser
Doktrin in ihren allgemeinsten Grundzügen geschildert und jene
Momente herausgehoben werden, in welchen sich jedesmal ein
Umschwung dieser Lehre offenbart.
Kritik der verschiedenen Theorien.
§ 2.
Die in den Quellen anerkannte doppelte Art der Theilung
der res, nemlich pro diviso und pro indiviso, war die Grundlage,
aus welcher sich die Theorie der sog. physischen (körperlichen,
reellen) und juristischen (intellektuellen, ideellen) Theilung
herausbildete: die Sachen wurden eingetheilt in physisch und ju
ristisch theilbare und untheilbare; und zwar wurde diese Theilung
*) Vgl. z. B. in der Lehre vom Besitze: Ihering, Ueber d. Grund d.
Bes. Schutzes S. 221.
L. 5 8 15 D. commod. (13, 6).