Erben und Vermächtnißnehmer, welche österreichische Staatsbürger oder in
dem österreichischen Staate sich aufhaltende Fremde sind, mit der Aus
folgung des Nachlasses oder des zu ihrer Bedeckung erforderlichen Theiles in
das Ausland so lange inne zu halten, bis über ihre Ansprüche durch die
dortigen Gerichtsbehörden rechtsgiltig entschieden ist.
§. 138. Für die Gläubiger aber, welche österreichische Staatsbürger
oder hierlandes sich aufhaltende Fremde sind und ihre Forderungen wider
den Erblasser schon bei seinem Leben anhängig gemacht haben, oder doch vor
der wirklichen Ausfolgung des Nachlasses klagbar machen oder gerichtlich
anmelden, ist von den österreichischen Gerichtsbehörden jederzeit insoweit Sorge
zu tragen, daß die Ausfolgung des Verlassenschaftsvermögens erst dann geschehen
darf, wenn deren Befriedigung erfolgt oder Sicherstellung für die Forderung
derselben geleistet ist.
§. 139. Daher sind im Falle des Todes eines Ausländers stets alle
Erben, Vermächtnißnehmer und Gläubiger der angeführten Art (§§. 137
und 138), welche auf den Nachlaß Ansprüche stellen zu können glauben,
mittelst eines auf angemessene Frist auszufertigenden Edictes aufzufordern,
ihre Forderungen binnen derselben so gewiß anzumelden, widrigenfalls der
Nachlaß an die auswärtige Gerichtsbehörde oder die von derselben zur Ueber
gabe gehörig legitimirte Person ausgefolgt werden würde.'
Die in diesem Paragraphen zu Gunsten der österreichischen Staatsange
hörigen oder in Oesterreich wohnenden Fremden vorgeschriebenen Vorkehrungen
können nach der Natur der Sache und nach den Bestimmungen des §. 23
des erwähnten Gesetzes nicht von der Bedingung des gleichen Benehmens
des ausländischen Staates abhängig gemacht werden, daher keinen Gegen
stand der Reciprocität bilden. (J.=M.=Erlaß vom 16. April 1863, Z. 3297,
an das lomb.-ven. O. L. G.)
Auch kann selbst dann, wenn die Erbverhandlung und Entscheidung der
streitigen Erbrechtsansprüche der auswärtigen Gerichtsbehörde zu überlassen
wäre, dieß nicht eher erfolgen, als bis den Bestimmungen dieser Paragraphe
gemäß vorgegangen worden ist. (J.=M.=Erlaß vom 17. Juli 1858, Z. 13726,
an das O. L. G. in Oedenburg.)2)
Ebensowenig kann eine Verzichtleistung der Angehörigen des Verstorbenen
von der Beobachtung dieser gesetzlichen Vorschriften entbinden, indem dieselben
nicht im Interesse der Erben, sondern in jenem der Gläubiger gelegen sind,
und zwar selbst dann nicht, wenn die bekannten Gläubiger befriedigt worden
sind, da noch andere als diese vorhanden sein können. (J.=M.-Erlaß vom
30. October 1859, Z. 16774, an das O. L. G. in Oedenburg.)
*) Aus Anlaß des hierlands erfolgten Todes eines Sträflings, dessen Nach
laß der ausländischen Behörde zu übergeben war, wurde dem österreichischen Ober
landesgericht mit J.=M.-Erlaß vom 3. December 1872, Z. 15184 aufgetragen, jene
Verfügungen zu treffen, welche einerseits nach den §§. 137—139 des Gesetzes vom
9. August 1854, R. G. Bl. Nr. 208, und anderseits allenfalls nach den Bestim
mungen der Gefängnißvorschriften Platz zu greifen haben
*) Hierauf ist in der Regel in den Staatsverträgen schon Rücksicht genommen.