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Hannover. Hessen=Cassel.
Aus Anlaß des in Oesterreich erfolgten Todfalles eines im Königreiche Uebernahme der
Vormundschaft
Hannover gebornen, bei der Kaiser Ferdinands Nordbahn bedienstet gewesenen über die Kinder
eines hierlands
Maschinenführers, welcher sich in Oesterreich mit Bewilligung der hannove
verstorbenen Han
ranischen Regierung verehelicht hat, wurde, obwohl anerkannt werden mußte, noveraners durch
die österr. Ge
daß die österreichischen Gerichte nicht zuständig seien, die provisorisch für
richte.
seine Kinder bestellte Vormundschaft fortzuführen, — weil derselbe nicht
im Staats-, sondern in einem Privatdienste gestanden ist und daher weder
hiedurch, noch durch seine Verehelichung und Begründung eines Familien
standes die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat, folglich fortwährend
hannoveranischer Unterthan geblieben und diese letztere Eigenschaft auch auf
seine Gattin und Kinder übergegangen ist — da die Interessen der Kinder
desselben, so lange sie sich in Oesterreich befinden, weit angemessener von dem
hiesigen Gerichte, als von dem entfernten hannoveranischen Vormundschafts
gerichte besorgt werden können, über die zustimmende Erklärung der königlich
hannoveranischen Regierung mit dem an das mährisch-schlesische Oberlandes
gericht ergangenen Justizministerialerlasse vom 26. März 1855, Z. 5286,
gestattet, die Vormundschaft über diese Kinder bis auf Weiteres bei dem
Gerichte, welches bereits provisorisch einen Vormund bestellt hat, fortzuführen.
11) Hessen Cassel.
Churfürstenthum Hessen-Cassel.*)
In Bezug auf die Behandlung der Nachlässe der Angehörigen des Verfahren bei Be
handlung der be
Churfürstenthums Hessen Cassel erging am 2. Juni 1861, Z. 4931, an weglichen Nach
lässe.
sämmtliche Oberlandesgerichte folgender Justizministerialerlaß:
„Ueber die aus Anlaß vorgekommener Todesfälle churhessischer Unter
thanen in Oesterreich über das Benehmen der churhessischen Gerichte bei
Behandlung der beweglichen Nachlässe der Ausländer gestellte Anfrage wird
dem Oberlandesgerichte bekannt gegeben, daß laut Eröffnung des churfürstlich
hessischen Ministeriums für die dortseitigen Gerichte bezüglich der Behand
lung des beweglichen Nachlaßvermögens eines in Churhessen gestorbenen
Ausländers der Grundsatz maßgebend ist, daß ein vorübergehender Aufenthalt
regelmäßig einen Gerichtsstand nicht begründet, wohl aber der Wohnort.
In derlei Fällen handle es sich um einen gerichtlichen Act in den Gränzen
der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Sei in dieser Beziehung der Gerichtsstand
einmal begründet, so könne derselbe ohne besonderen rechtlichen Grund auch
nicht aufgegeben werden. Das Stadtgericht zu Cassel habe immer die Ge
richtsbarkeit, wenn solche bei ihm stand, ausgeübt und über die Aushändigung
der Erbschaft selbst verfügt, und der Fall der Ueberlassung der Verfügung
an ein ausländisches Gericht, sei, soviel bekannt, nicht vorgekommen. Wegen
des Interesses inländischer Gläubiger und sonstiger Betheiligter würde auch
ein Eingehen auf etwas anderes nicht stattfinden können.
*) Seit der mit Gesetz vom 20. September 1866 (preußische Gesetzessamm
lung Nr. 47) erfolgten Vereinigung des Kurfürstenthums Hessen mit der preußischen
Monarchie ist über die Behandlung eines in Oesterreich verstorbenen Angehörigen
von Kurhessen noch keine Aufrage vorgekommen.